Personalisierter Wahl-Kampf oder öffentliche Willens-Bildung?

Eva Odzuck
2020 Zeitschrift für Politik  
Obwohl die demokratischen Öffentlichkeiten diesseits und jenseits des Atlantiks dem Phänomen des digitalen Politischen Micro-Targeting überaus skeptisch gegenüberstehen, hält sich die Politikwissenschaft bisher mit einer Beurteilung des Phänomens zurück. Der Aufsatz zieht die normative Demokratietheorie als Beurteilungsmaßstab heran und argumentiert, dass die wesentliche Trennlinie von Demokratietheorien nicht zwischen realistischer und idealistischer Demokratietheorie verläuft, sondern
more » ... einem kampforientierten und einem verständigungsorientierten Politikbegriff zu ziehen ist. Diese Trennlinie ermöglicht, sichtbar zu machen, dass Micro-Targeting für die Zielsetzung kampforientierter Demokratietheorien zuträglich ist, für die Ziele verständigungsbasierter Demokratietheorien dagegen abträglich ist. Zugleich kann die Trennlinie dafür sensibilisieren, dass man sich mit der Entscheidung für (oder gegen) eine bestimmte Form der öffentlichen Kommunikation immer auch für eine bestimmte Richtung von Demokratie entscheidet und diese ermöglicht und fortschreibt. Meine These der Richtungsentscheidung der Demokratie mündet in das Plädoyer, dass die öffentliche Willensbildung als Kernelement liberaler Demokratien weder von der Politik noch von der Wissenschaft nachlässig behandelt werden sollte. Die Politikwissenschaft ihrerseits kann nur als Integrationswissenschaft, die normative und empirische Ansätze kombiniert, ihrer demokratiepolitischen Verantwortung für die öffentliche Willensbildung und die institutionellen Voraussetzungen demokratischer Öffentlichkeit gerecht werden.
doi:10.5771/0044-3360-2020-2-153 fatcat:4pzigblmvzb7fal6kv3rp5rn5y