Zur christlichen Kulturgeschichte

J. Langen
1897
um das Jahr 30 unserer Ära abspielte, blieb der grossen Welt unbekannt. Ein kleiner Aufruhr, meist unter der armen, ungebildeten Landbevölkerung am See Genesareth, Avelche mit ihrer social-politischen Lage unzufrieden, sehnsüchtig auf den Messias harrte, AA'urde in weiteren Kreisen nicht beachtet. Unruhen waren damals in Palästina sehr gewöhnlich. An jedem Osterfeste pflegte der römische Prokurator von Cäsarea zur jüdischen Hauptstadt zu kommen und die Besatzung der Burg Antonia zu A*erdoppeln,
more » ... weil er bei dem Zusammenströmen des Volkes in Jerusalem leicht Aufstände zu befürchten hatte. Wie der grössere, sehr unbeständige Anhang, den Christus fand, so gehörten auch seine stetigen Nachfolger, die Apostel, dem niederen, ungebildeten Volke an. Er selbst, der Sohn einer Werkstätte, war schon bei der Geburt von den Kämpfen und Unbilden der Armut umgeben. Dem eigenen Verhältnis zur Welt entsprechend, waren seiner Lehre die gewöhnlichen Begriffe von gering und vornehm, arm und reich, völlig fremd. Wie er die, Avelche ihm folgten in der Erfüllung des göttlichen Willens, für seine Mutter, Brüder und Schwestern erklärte, an die Stelle der BlutsArerwandtschaft die des Geistes setzte, so galten ihm bloss die für vornehm und reich, welche durch die unvergänglichen Schätze des Geistes sich Plätze im Himmel sicherten, und derjenige als der grösste, der am meisten diente. Weil eben die Religion, die er verkündete und lebendig in sich selbst zur Darstellung brachte, den schärfsten Gegensatz bildete zu allem, was in der Welt zu gelten und zu herrschen pflegt, musste sein Ende ein Ende sein in Schrecken und Schmach. Doch gerade hierin Avar auch ihr rascher Fortschritt und ihr Erfolg begründet, so weit sie einen solchen in der Welt, die noch immer "im Argen liegt", erzielte. Das Erhabene, Ungewöhnliche, ja absurd Scheinende übt am meisten auf ausserordentliche, bedeutende Menschen einen Zauber aus, dem sie sich nicht zu entziehen vermögen. Auch in der apostolischen Zeit blieb das im Stillen freilich Avachsende Senfkörnlein des Evangeliums noch ziemlich unbeachtet. Nur ATon den Aposteln Petrus, Johannes und den beiden Jakoben bringt der erste Teil der Apostelgeschichte dürftige Nachrichten. Von den übrigen Aposteln aus der Zeit Christi wissen Avdr nichts, da wir spätere Legenden nicht in Betracht ziehen dürfen. Sie scheinen neben den zunächst in
doi:10.5169/seals-403379 fatcat:n2ilgvisyndklialsdwilahzni