Vom Regen in die Traufe
P Kaiser, C Hoess, M Krause, V Pavlicek
2008
Swiss Medical Forum = Forum Médical Suisse
Forum Med Suisse 2008;8(42):803-805 803 Sonographisch zeigte sich eine normalgrosse Schild drüse mit homogener Echostruktur bis auf einen singulären isoechogenen Knoten im Isthmus. In der Szintigraphie mit Technetiumpertechnetat konnte das Organ nicht dargestellt werden. Diese Befundlage liess eine nosologische Zuordnung der Störung als Amiodarone-induzierte Hyperthyreose (AIT) Typ 2 vermuten, eine Erkrankung toxisch-entzündlicher Natur, gegen welche Thyreostatika unwirksam sind. Carbimazol und
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... Natriumperchlorat wurden sistiert und eine Behandlung mit 50 mg Prednison und Antihistaminika begonnen. Bereits in der ersten Behandlungswoche normalisierten sich die peripheren Schilddrüsenhormone, der TSH-Wert folgte mit wenig Verzögerung. Auf eine Behandlung mit Amiodarone wurde weiterhin verzichtet. Diagnosen -Amiodarone-induzierte Hyperthyreose Typ 2 -Allergische Reaktion auf Thyreostatika Kommentar Die Geschichte dieses Patienten zeigt die wesentlichen Tücken der Amiodarone-induzierten Schilddrüsenstörungen auf. Letztere treten im Verlauf von 2-24% der meist mehrjährigen Behandlungen auf und stehen in engem Zusammenhang mit vorbestehenden (subklinischen) Schilddrüsenstörungen [1]. Amiodarone zeigt multiple Wechselwirkungen mit der Physiologie der Schilddrüse. Die übliche tägliche Erhaltungsdosis von 200 mg setzt enteral etwa 6 mg anorganisches Jod frei. Dies entspricht der 50fachen empfohlenen Dosis und führt zur «Plummerung» der Schilddrüse, d.h. zur passageren Inhibierung der Jodaufnahme und Hormonsynthese (Wolff-Chaikoff-Effekt). Durch kompetitive Inhibition der 5'-Monodeiodinasen hemmt Amiodarone die Konversion von T4 zu T3 und induziert unter Akkumulation von T4 und biologisch inaktivem, reversem T3 (rT3) in der Initialphase der Behandlung eine hypothyreote Stoffwechsellage. Die erhöhte Substratkonzentration führt im Normalverlauf über ein neues Fliessgleichgewicht zur Normalisierung der hormonellen Situation (Abb. 1 x) [1] . Amiodarone und seine Metaboliten wirken des weitern als Antagonisten von T3 an seinen nukleären Rezeptoren. Dies entspricht bekanntermassen einem Teil der pharmakologischen Wirkung am Herzen. Fallbericht Ein 80jähriger ehemaliger Grenzwächter wurde wegen Diarrhoe und erniedrigten TSH-Werten zur Schildrüsendiagnostik zugewiesen. Der Patient litt an einer koronaren Herzkrankheit, welche mehrere operative und interventionelle Revaskularisationen notwendig machte. Aufgrund eines drittgradigen AV-Blockes war er seit drei Jahren Träger eines auf DDDR programmierten Herzschrittmachers und stand unter einer Therapie mit Bisoprolol, Perindopril, Torasemid, Atorvastatin, Acetylsalicylat, Clopidogrel und Amiodarone. Seit einigen Tagen trat nun bis achtmal täglich dünnflüssiger Durchfall auf. In wenigen Wochen hatte er 10 kg abgenommen, fühlte sich müde, kraftlos und unruhig. Die klinische Untersuchung war bis auf einen feinschlägigen symmetrischen Handtremor unauffäl lig, die Schilddrüse war ohne tastbare Knoten, normal gross und schmerzlos. Laborchemisch fielen neben dem supprimierten TSH eine deutliche Erhöhung des fT4 (95 nmol/L, Ref.: 10,3-35,0) auf. Thyreoidale Autoantikörper waren nicht nachweisbar. Die initiale thyreostatische Behandlung dieserunter Betablockade teilweise verschleierten -hyper thyreoten Symptomatik erfolgte hochdosiert mit Carbimazol und Natriumperchlorat. Amiodarone wurde sistiert; der Patient hatte es über fünf Jahre eingenommen, vorübergehend abgesetzt und vor kurzem erneut verschrieben bekommen. Rund einen Monat später wurde der Patient aufgrund erneuter Verschlechterung des Allgemeinzustandes mit Fieber, Schüttelfrost und stammund beinbetontem makulös-urtikariellem Exanthem stationär aufgenommen. Neben leicht erhöh ten Entzündungsparametern zeigte sich eine ausgeprägte Eosinophilie (initial 20% der Leukozyten) bei normwertigen neutrophilen Granulozyten. Die Blutkulturen blieben negativ. Summary From bad to worse An 80-year-old male patient presented with subtle signs of thyrotoxicosis after long-term treatment with amiodarone. Antithyroid medication with thionamides and sodium perchlorate was initiated without significant clinical improvement. One month later these drugs had to be stopped due to fever with rash and eosinophilia. Subsequent administration of glucocorticoids resolved both the hyperthyroidism and the treatment complication, indicating the presence of amiodarone-associated thyrotoxicosis type 2. Amiodarone-associated thyrotoxicosis type 2 is an inflammatory destructive thyroiditis against which antithyroid drugs are ineffective.
doi:10.4414/fms.2008.06622
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