Über den inventarisatorischen Umgang mit der Architektur nach 1945. Oder: Wie alt müssen Kulturdenkmale sein?

Volker Osteneck, Denkmalpflege In Baden-Württemberg – Nachrichtenblatt Der Landesdenkmalpflege
2014
Volker Osteneck: Über den inventarisatorischen Umgang mit der Architektur nach 1945 Oder: Wie alt müssen Kulturdenkmale sein? Seit etwa 15 Jahren hat sich die Spannbreite dessen, was Kulturdenkmal sein kann, erheblich vergrößert. So gelangten zunächst Zeugnisse der Zeit zwischen 1871 und 1918, also zwischen Gründerzeit und Nach-Jugendstil, der Zeit des "zweiten Kaiserreiches", in den Rang von Denkmalen, dabei nicht nur Großobjekte wie Kirchen oder öffentliche Bauten, sondern auch Bürgerhäuser
more » ... d Arbeitersiedlungen. Ganze Straßenzüge und Stadtviertel rückten ins Blickfeld denkmalpflegerischen Interesses. Spiegel dieser Entwicklung sind u. a. zahlreiche Beiträge des Nachrichtenblattes seit 1973. Als neue untere Zeitgrenze wurde nun allgemein das Jahr 1945 angenommen, so daß zu den Epochen, in deren dinglichem Erbe Kulturdenkmale zu finden sind, auch die zwanziger Jahre und die NS-Zeit zählen, letztere allerdings mit einem gewissen Vorbehalt. Aber -Leser des Nachrichtenblattes werden es bemerkt und zum Teil mit Erstaunen registriert haben -die Tabugrenze 1945 ist inzwischen weitgehend niedergerissen, Gebäude der Wiederaufbauzeit und der sogenannten Fünfziger Jahre wurden als Kulturdenkmale bezeichnet. Sollten nun Objekte Denkmalwert besitzen, die jünger sind als ein Großteil der Bevölkerung, entstanden in einer Zeit, die man bewußt miterlebt, z. T. sogar mitgestaltet hat? Wie alt muß denn ein Gegenstand eigentlich sein, um Kulturdenkmal werden zu können? Das baden-württembergische Denkmalschutzgesetz nennt als Kriterien für eine Erhaltung im öffentlichen
doi:10.11588/nbdpfbw.1988.2.13817 fatcat:4vntl2ockzbwpda5slcmny26by