Zur Somatose
1894
Deutsche Medizinische Wochenschrift
Mit der Verordnung des von den Farbenfabriken, vormals Friedrich Bayer & Co. dargestellten, lediglich aus Aihumosen bestehenden Fleischpräparates Somatose habe ich mehrere sehr befriedigende Resultate erzielt. Das Präparat wurde meist in Milch verabreicht. Zunächst hebe ich hervor, dass Säuglinge, die mit der Flasche ernährt werden mussten, aber bei einem Alter von drei bis fünf Wochen über ihr ursprüngliches Gewicht wenig oder gar nicht hinausgekommen waren, in einigen Fällen sogar unter
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... be zurückgegangen waren, beim Genusse der Somatosemilch gut gediehen. Es wurde von mir immer eine stetige, dem Alter entsprechende Gewichtszunahme bei allgemeineni Wohlergehen der Kleinen beobachtet. Freilich sah ich mehrfach in den ersten Tagen, in denen die Somatose gegeben wurde, keine Besserung im Zustande der Kinder. Im Gegentheil traten mehr oder weniger starke Darnikatarrhe ein. In den von mir beobachteten Fällen war aher nach diesen ersten Tagen Gewöhnung an das Präparat erreicht, und die Verdauung und Gewichtszunahme wurden gut und constant. Da die Soinatose das für die Zellenbildung wichtige Kaliumphosphat enthält, liess ich die Somatosemilch auch einem sehr schwachen, an hochgradiger Rachitia mit ehronischem Darmkatarrh leidenden, halbjährigen Kinde geben. Die Darmerscheinungen verschuimmerten sieh in den ersten Tagen, so dass schon die Eltern die Verabreichung der Somatose ganz aussetzen wollten. Ich bewog sie aber zu längerem Versuche und hatte nach acht bis zehn Tagen die Gewöhnung an das Prtparat erzielt. Während das Kind im ganzen fünften Monate nicht schwerer geworden war. nahm es infolge der Ernährung mit Somatosemilch, wie ich mich durch wiederholt vorgenommenes Wägen überzeugte, seinem Alter entsprechend zu, es fühlte sich wohl, schlief wieder ruhig und hatte nach vierwochentlicher Cur eine auffallend frische Gesichtsfarbe. Vor einem Jahre ging in derselben Familie ein Kind von fast gleichem Alter und fast gleicher Constitution trotz aller medicamentöser Behandlung zugrunde, Ferner verordnete ich Somatose einem an gastrischem Fieber erkrankten achtjährigen, schwächlichen Patienten. Derselbe war nach achttägigem Krankenlager ins Stadium der Reconvalesceuz eingetreten, hatte sich aber eines Tages frisches Schwarzbrod zu verschaffen gewusst, und die Folge des verbotenen Genusses war ein heftiges Recidiv. In den drei nächsten Tagen erbrach der Patient fast alles trotz der angewandten Antiemetica und bei strengster Diät. Der Knabe wurde sehr elend und wollte schleimige Kost überhaupt nicht mehr nehmen. Da wurde ein Versuch mit Somatosomilch gemacht. Sie wurde gern genommen, dei Kleine erbrach nicht mehr und genas in kurzer Zeit. Ich gebe zu, dass es sich bei dem plötzlichen Sistiren des Erbrechens um einen Zufall handeln konnte. Das Erbrechen hätte vielleicht auch ohne Genuss der Somatosemilch aufgehört. Dann musste es für mich aber immerhin auffallend bleiben, wie schnell und vollständig sich der Patient bei andauernder Ernährung mit Somatoseinilch erholte. Zum Schlusse bemerke ich noch, dass ich auch sehr geschwächten Wöchnerinnen Somatosemilch verordnete. Diese Versuche kann ich aber nicht als reine Versuche gelten lassen, da immer nebenher andere Roborantien genossen wurden. Bei dieser Gelegenheit erwähne ich aber, dass Wöchnerinnen zuweilen gegen Somatosemilch einen fast unüberwindlichen Widerwillen haben. Diesen Widerwillen möchte ich eher auf Rechnung der Milch, als auf Rechnung der in der Milch enthaltenen Somatose setzen. Denn man trifft doch häufig Patienten an. für die schon der blosse Gedanke an Milch ekelerregend ist. Ueberdies habe ich mich selbst davon überzeugt, dass Damen, die behaupteten, Somatose nicht mehr nehmen zu können -sie hatten eben vorher längere Zeit Somatosemilch genossendas heimlich in den Kaffee gebrachte Präparat zu sich nahmen, ohne auch im geringsten Beschwerden zu bekommen. Mit Rücksicht auf den hohen Nährwerth der Somatose halte ich es für geboten, derartigen Patienten. von denen wirklich Somatose in Milch nicht genossen werden kann, das Präparat in Kaffee, Thee, Bouillon, Chokolade, Bier oder anderem Vehikel wenigstens einmal versuchsweise zu verabreichen. Nach meiner Ueberzeugung wird sich dann in den meisten Fällen herausstellen, dass die eingebildete Idiosynkrasie, auf Grund deren Somatose nicht genossen werden kann, thatsächlich nicht besteht. Uebrigens werden auch von den Gebr. Stollwerk in Cöln Somatosecakes und eine gut schmeckende Somatosechokolado zubereitet. Heruntergeladen von: NYU. Urheberrechtlich geschützt.
doi:10.1055/s-0029-1206144
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