1. Feldforschung: Teilnehmende Beobachtung als Interaktion [chapter]

Wolfgang Kaschuba
2012 Einführung in die Europäische Ethnologie  
In der kulturwissenschaftlichen Forschung gibt es heute wenige methodische Zugänge und thematische Felder, von denen eine Europäische Ethnologie behaupten könnte, sie seien ausschlieûlich ihr Revier und Handwerkszeug. Sowohl in der historischen als auch in der Gegenwartsforschung haben sich in den letzten Jahrzehnten vielfältige Kooperations-wie Konkurrenzverhältnisse zu anderen Fächern ergeben, die scharfe disziplinäre Grenzziehungen schwierig, wenn nicht unmöglich machen. Selbst die alten
more » ... ngegenstände der Volkskunde im Bereich historischer Volkskultur oder dörflicher Lebenswelt sind längst von anderen Fächern entdeckt. So ist das Profil unseres Faches, jene kognitive Identität der Eigenund Fremdbilder, auch eher in bestimmten thematischen wie methodischen Zuschnitten zu suchen als in festen Reviermarkierungen. Es sind die spezifischen Fragestellungen und die spezifischen Wege, auf denen Antworten darauf gesucht werden, aus denen sich letztlich eine Handschrift ergibt, die ± so scheint mir ± sich in vieler Hinsicht immer noch kenntlich von der einer Kulturhistorikerin oder eines Kultursoziologen unterscheidet, die nominell dasselbe Thema bearbeiten. Denn diese thematische wie methodische Offenheit bedeutet keineswegs völlige Beliebigkeit. Gewiû sind wie in jedem anderen Fach immer wieder bestimmte Themen ¹im Trendª, und es besteht eine Tendenz, sich für alles zuständig zu erklären. Doch legt man die Forschungsergebnisse unseres Faches nebeneinander, jene beeindrukkend lange Liste von Publikationen in Form von Magisterarbeiten und Dissertationen, von studentischen Studienprojekten und drittmittelgeförderten Forschungsprojekten, die in letzten zehn Jahren an Instituten für Volkskunde und für Europäische Ethnologie entstanden sind, dann zeichnen sich deutlich Themenstränge ab, die sich intern immer wieder bündeln und nicht nach auûen hin auffasern. Es sind thematische Linien, die nahe an die Lebenswelten und an die kulturelle Praxis der sozialen Akteure heranführen, die soziale Prozesse und Probleme in ihrer Entwicklung nachzeichnen, die gesellschaftliche Orte und Situationen in ihrer historischen Topographie wie in ihrer kulturellen Architektur darstellen, die nicht das statistisch Repräsentative, sondern das kulturell Signifikante und Charakteristische betonen, die den ¹hartenª Koordinaten ¹weicheª, differenzierte Schraffuren hinzufügen und die nicht zuletzt Hinweise darauf geben wollen, inwiefern das gewählte Thema neben dem wis-
doi:10.17104/9783406635991-194 fatcat:mspdu2kmwvfopggxif27i7ox2e