"Wer nicht sehen kann, muß hören"

Ulrike Haidacher
2012 unpublished
Die vorliegende Arbeit unternimmt den Versuch, Elfriede Jelineks erste vier Hörspiele "Wien West", "wenn die sonne sinkt ist für manche auch noch büroschluß", "Untergang eines Tauchers" und "Für den Funk dramatisierte Ballade von drei wichtigen Männern sowie dem Personenkreis um sie herum" gattungstheoretisch zu kontextualisieren und in Hinblick auf ihre Nur-Hörbarkeit zu untersuchen. Elfriede Jelineks original für den Rundfunk konzipierte Hörspiele entstanden zwischen 1971 und 1977. In dieser
more » ... eit war das Neue Hörspiel gerade populär geworden und konnte seine größten Erfolge verzeichnen. Dem Neuen Hörspiel standen aufgrund der damals aufgekommenen Stereofonie neue technische Möglichkeiten zu Verfügung. Es konnten stereofone Räume geschaffen werden, der Ton strömte nicht mehr punktuell aus dem Lautsprecher. Man wollte sich von den traditionellen Formen des Hörspiels distanzieren und die HörerInnen zu einem aufmerksamen Zuhören anhalten. Es wurde versucht, das emotionale Einlassen und eine damit einhergehende passive Haltung des Publikums zu verhindern. Ausdrucksmöglichkeiten wurden wieder in frühen Traditionen, in denen des Dadaismus, der Musique concrète, der Pop-Art sowie in den Radiotheorien Bertolt Brechts oder Walter Benjamins gefunden. Die Technik der Collage ermöglichte es, Klangmaterial miteinander zu verbinden und autonome Schallräume herzustellen. Außerdem wollte man durch die Montage heterogenen Sprachmaterials, Denk- und Sprechweisen entlarven. Auch das O-Ton-Hörspiel wollte das Manipulierende in der Sprache erkennbar machen, aber auch der breiten Masse im Medium Hörspiel eine Stimme geben. Zwar strebt Elfriede Jelinek in Wien West eine Parodie auf das Neue Hörspiel an und distanziert sich somit davon, dennoch setzt das erste Hörspiel der Autorin die Ausdrucksmöglichkeiten der neuen Strömung effizient ein. Jelineks Original-Hörspiele fordern die Hörenden zu einer aufmerksamen und kritischen Haltung auf. Die in den Hörspielen auftretenden Figuren sind keine Individuen, vielmehr sind sie reine Sprachk [...]
doi:10.25365/thesis.19722 fatcat:2yva5xyjzzgbtjrbuzbkgtuwjm