Literarische Konstellationen [chapter]

Susanne Klengel, Georg Wink, Peter Birle
2013 Brasilien  
Brasilianische Literatur oder Literaturen Brasiliens? Die Entscheidung, heute angesichts eines außerordentlich vielfältigen literarischen Feldes im Singular von der brasilianischen Literatur zu sprechen, ist nicht ohne Risiko, legt dieses doch eine Argumentation entlang der Kriterien einer nationalen Literaturgeschichte nahe, die von den Realitäten einer zunehmend verflochtenen Welt -auch auf dem Gebiet der Literatur -längst konterkariert werden. Wenn wir dennoch im Folgenden die
more » ... en Formen der Literaturen Brasiliens meist als brasilianische Literatur bezeichnen, so dient dies vor allem einer Vereinfachung in unserer Darstellung, in der wir versuchen wollen, die Vielfalt des literarischen Schaffens brasilianischer Autorinnen und Autoren anhand einiger historischer und gegenwärtiger Haupt-und Nebenlinien zu verfolgen. Die Literaturen Brasiliens bilden ein Feld, dessen Dynamiken und vielschichtige Verästelungen heute nur schwer in einem übersichtlichen Gesamtbild darzustellen sind. Nicht nur ist die Zahl der Autorinnen und Autoren, die Erstlingswerke vorlegen, in den vergangenen Jahren stark angewachsen, sondern auch die brasilianische Literaturwissenschaft hat ihrerseits eine beträchtliche Kanonerweiterung befördert und viele vergessene oder bislang übergangene Werke zum Vorschein gebracht (dies gilt insbesondere für die Literatur von Afrobrasilianern und von Autorinnen). Es überrascht daher wenig, dass außerhalb von Brasilien und jenseits des kleinen Bereichs der internationalen Brasilianistik diese Literaturen nur in Ansätzen bekannt sind. Zwar besaßen einzelne Autoren wie Jorge Amado, Clarice Lispector oder João Ubaldo Ribeiro schon immer eine internationale Leserschaft, doch diese Leuchttürme markieren nicht kleine literarische Eilande, sondern ein Land von kontinentalen Ausmaßen, in dem spätestens seit der Mitte des 19. Jahrhunderts eine ebenso vielfältige wie innovative Literatur von weltweiter Relevanz verfasst wird. Neu ist seit einiger Zeit allerdings die Aufmerksamkeit, die in Brasilien selbst dieser Literaturproduktion -auch als Exportgut -zukommt und die durchaus im Zusammenhang mit den sozio-ökonomischen Entwicklungen gesehen werden muss.
doi:10.31819/9783954871070-013 fatcat:v44zgtnyoze3hnd2vzoabfbrju