Genealogien
Georg Fertig, Sandro Guzzi-Heeb
2022
Die Affäre hat in der Schweiz einen Skandal ausgelöst, die Schweizer Regierung musste sich offiziell für die Verfehlungen entschuldigen. Inzwischen haben wir medial von zahlreichen ähnlichen Skandalen erfahren, bei denen Kinder den Eltern entzogen und verschiedenen Erziehungs-bzw. Bildungsprogrammen zugewiesen wurden -Fälle, wo die Opfer oft Mitglieder ethnischer Minderheiten oder nicht-weißer Völker waren und ihre Assimilierung an eine als höher angesehene weiße und bürgerliche Kultur bezweckt
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... wurde. Dass wir solche Eingriffe in Familienbeziehungen als skandalös empfinden, zeigt, wie tief unser Gerechtigkeitssinn auch heute mit Vorstellungen von einer geordneten Abfolge der Generationen verbunden ist. Gleichzeitig machen uns diese Geschichten aus durchaus jüngerer Vergangenheit darauf aufmerksam, wie wandelbar und kontextabhängig die betreffenden Wahrnehmungen sind. Was noch vor wenigen Jahrzehnten ohne große Bedenken gutgeheißen wurde, gilt heute als inakzeptabel! Die alte Frage nach der rechtmäßigen genealogischen Abfolge und der Kontinuität der Generationen bleibt jedenfalls hochaktuell, und damit das Bedürfnis der Menschen, sich innerhalb einer Familie, einer Verwandtschaftsgruppe zu situieren und sich damit zu identifizieren. Menschen beschäftigen sich seit Jahrhunderten damit, bestimmte Menschen aus der Vergangenheit und deren Familien-oder auch andere Beziehungen zu benennen und diese in ein soziales Umfeld einzuordnen. Dies kann auf verschiedene Art und Weise und mit unterschiedlichen Motivationen geschehen. Der vorliegende Band stellt die Praxis der als Bürgerwissenschaft oder auch einfach als Freizeitbeschäftigung betriebenen Genealogie ins Zentrum. Ihre Relevanz und gelegentlich auch Brisanz gewinnt diese Alltagspraxis daraus, dass
doi:10.25365/rhy-2021-2
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