Charles Sanders Peirce und die Psychoanalyse Debatte zum Schwerpunktthema Grundlagenartikel zur Debatte Das dynamische Unbewusste im Lichte der Kategorien First und Second von Charles S. Peirce

Vera Saller
unpublished
Second verglichen wird. Die Hauptthese der Arbeit ist, dass der von Freud postulierte Primärprozess, dessen Prinzipien sich aus dem Funktionieren von Abwehrmechanismen herleiten lassen, weiter gefasst und als Ursprung des Denkens überhaupt angesehen werden sollte. Dass das Peirce'sche Third in dieser Arbeit verhältnismässig kurz abgehandelt wird, schuldet sich einer bemerkenswerten Übereinstimmung von Psychoanalyse und Peirce' Philosophie: Bei beiden spielt das Lernen durch Erfahrung eine
more » ... ragende Rolle. Schlüsselwörter: Pragmatismus, habituelles Unbewusstes, Implizites, First, Second, Third Bis vor ca. 50 Jahren war das Menschenbild des philosophischen Mainstreams durch die Ratio bestimmt. Dagegen trat in den letzten Jahrzehnten vermehrt ins Bewusstsein, dass das Denken des Menschen grundsätzlich sozialer Natur ist, d. h. Journal für Psychoanalyse 55 6 Vera Saller kulturell und religiös geprägt. Weiter ist seit Francisco Varela, Antonio Damasio und Gerald Edelman zum Allgemeinwissen geworden, dass der bis dahin vernachlässigte Körper in allen Bereichen des menschlichen Handelns und Denkens zentral mitgedacht werden sollte. Unter dem Schlagwort embodied mind ist diese Erkenntnis in alle life sciences, inklusive Philosophie und Sozialwissenschaften vorgedrungen. Mit embodied mind ist unter anderem das Selbstgefühl im Körper und damit zusammenhängend auch die emotionale, affektive und hormonelle Steuerung und Beeinflussung des Denkens durch körperliche Prozesse gemeint. Einiges was da an A-Rationalem 1 betont wird, ist von der Psychoanalyse schon seit ihrem Bestehen eingebracht worden. Die Psychoanalyse ist aber nicht die einzige Geistesströmung, die als Vorläufer der jetzigen Bewegungen gelten kann. Menschliches Handeln wurde auch vom amerikanischen Pragmatismus bereits vor mehr als 100 Jahren Rationalismus-kritisch gewürdigt. Pragmatismus, von griechisch to pragma (die Handlung, das Getane), betont, dass das menschliche Denken nur in Bezug auf das Handeln erklärt werden könne. Gemäss der pragmatischen Maxime ist jeder Begriff nur insofern sinnvoll, als er eine Änderung der Handlungsweise des Denkenden bewirkt. Für den Begründer des Pragmatismus, Charles Sanders Peirce (vgl. Artikel zur Person Peirce' am Schluss dieser Arbeit), war der Begriff der Gewohnheit (habit) zentral und da ein grosser Teil dessen, was wir täglich gewohnheitsmässig tun, nicht im Fokus unserer Aufmerksamkeit steht, lässt sich sagen, dass es auch ein pragmatisches, habituelles Unbewusstes gibt (vgl. auch Saller, 2003, S. 123-144). Das habituelle Unbewusste enthält Prämissen, von denen wir unhinterfragt ausgehen, und Gewohnheiten, die wir automatisch ausführen. Seit vielen Jahren beschäftige ich mich damit, wie dieses habituelle Unbewusste der Pragmatisten mit demjenigen der Psychoanalytiker in Verbindung gebracht werden kann. Mein diesbezüglicher Ehrgeiz und mein Interesse haben unter anderem damit zu tun, dass ich von der Ethnologie herkommend versuchte, die Psychoanalyse auch als Gesellschaftstheorie zu verstehen. Wie Alfred Tauber (2010) in einer äusserst spannenden und lesenswerten Studie kürzlich gezeigt hat, war auch Freuds eigenes Interesse ursprünglich ein philosophisches. Er auferlegte sich aber die Orientierung an der Empirie und liess seiner spekulativen Neigung erst in späteren Jahren Raum, vor allem in seinen Kulturschriften. Für mich liegt da, wo Freud die Psychoanalyse als allgemeine Theorie des Denkens versteht, indessen ein Problem. Obwohl es eines der Verdienste Freuds war, dass er die scharfe Trennlinie, die Gesunde von Kranken scheidet, relativiert hat, lässt sich die therapeutische Herkunft der Psychoanalyse -einer Theorie, die auf dem Gegensatz Charles Sanders Peirce und die Psychoanalyse Das dynamische Unbewusste im Lichte der Kategorien First und ...
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