Der Nélaton'sche Katheter

1880 Deutsche Medizinische Wochenschrift  
Die Vorzüge der weichen Nélaton'schen Katheter, welche aus vuIkajsirtem Gummi ohne Zwischengewehe bestehen, sind den meisten Aerzten bekannt. Sie lassen sich rotirend am leichtesten einftihren, der Ungeübteste bringt keinen falschen Weg damit zu Stande , man kann sie deshalb ruhig dem Wärter oder dem Kranken selbst in die Hand geben , was bei Lähmungen etc. mitunter unschätzbar ist. Und doch müssen sie nach niciner Erfahrung in dieser Qualität wieder aus dem Instrumentarium verbannt werden;
more » ... vor einem halben Jahre passirte es luir bei einem ganz neuen, biegsamen und elastischen Katheter dieser Art, durch den Zwischenhandel bezogen, dass derselbe beim tJmbiegen in der hand plötzlich mit glatter Bruchfläche sprang und darauf durch dieselbe jähe Handhabung in kleine Stücke gebrochen werden konnte. Es sollte noch besser kommen. Bei einem jungen Bergmann mit Bruch der Lendenwirbelsäule, Zerquetschung der Medulla und Blasenlähmung etc. hatte ich vor einigen Monaten schon wiederholt mit einem dito neuen, his dahin unbenutzten Néla ton'scheu Katheter die Blase entleert, als eines Tages beim behutsamen Herausziehen derselbe in der Fossa glatt abriss. Es gelang mir, das Ende mit einer Zange zu fassen und hervorzuziehen, da riss das in der Blase befindliche, 5 Ctm. lange Stück ebenfalls glatt ab. Die Tage des enfant perdu wurden hierdurch kaum verkürzt; bei der Section nach circa sechs Wochen fand sieh das Ende mit einer gelblich weissen, dünnen, harten Incrustation bedeckt. Bei einem 8 Monate alten Knaben, der von Geburt her an habitueller, wochenlanger Verstopfung litt und dann nur sehr mühsam gana zähe, lehinige Faeces entleerte, hatte ich nach anderer, fruchtloser Behandlung der Mutter einen neuen, aus einer zweiten Handlung bezogenen Nélaton'schen hatheter gegeben und ihr gezeigt, wie sie denselben langsam rotirend hoch in's Rectum hinaulsehieben und durch denselben kaltes Wasser einspritzen sollte. Es gelang der Dame die ersten Wochen hindurch wunderschön, das Ding iii die zähe Kothmasse zu bringen, diese durch das Wasser aufzulösen und Defäcation herbeizuführen. Vor einigen Wochen erzählte sie mir, von dem KaLheter sei ihr im Leibe des Kindes ein Stück abgebrochen und sie wisse in ihrer Bestürzung nicht, ob es mit dem Stuhl wieder herausgekommen sei. Dabei zeigte sie den Katheter, der sich übrigens in gutem, tadellosem Zustande befand, an (loin das untere, ebenfalls 5 Ctm. lange Stück mit glatter Fläche abgebrochen war. Ich tastete sofort mit dem kleinen Finger das Rectum ab, fand dasselbe fast bis auf die Durchmesser des kleinen Beckens erweiter!, von oben zähe, lehrnige Kotlimasse hineinragend, aber von Nelaton keine Spur, auch nicht bei den lolgenden Stuhlgängen. Der Fall war glücklicherweise ebenso holliiungslos, wie der vorige; Erbrechen und Abmagerung führten schnell das Ende herbei. Die Section ergab Atrophie des Dünndarmes im Anfangsstück und den obgesprungenen Theil des katlieters im Colon ascendens. Nach solchen Ethlirungen, die auch von Andern gemacht sein müssen, aber meines Wissens nicht veröfFentlicht sind , hört die bona fides beim fernere» Gebrauch auf; von Vorsicht kann dabei keine Rede sein, da die Elasticitätsgrenze ganz unberechenbar ist und die Veränderung des Aggregatzustandes plötzlich eintritt. Man darf deshalb meines Erachtens diese Nélaton'scben Katheter nicht mehr anwenden, bis eine veränderte Fabrication derselben, sei es, dass das Vulkanisiren abgeändert oder beseitigt, oder das Gummi mit Zwischengeweben versehen wird, sichere und zuverlässige Instrumente erzeugt hat. Hürde, (len 7. Januar 1880. Heruntergeladen von: NYU. Urheberrechtlich geschützt.
doi:10.1055/s-0029-1195239 fatcat:4uftjt4mjrejtesls7q5eyhlua