›Seeing things‹: Misch-Ontologien der Beobachtung [chapter]

2021 Epistemische Bilder  
Ungeachtet der anthropologischen Verankerung des Darstellens als primärer Tätigkeit, kann von einer eigentlichen Wechselwirkung von Eingriffswirklichkeit und Darstellungswirklichkeit, Hacking zufolge, erst mit Beginn der neuzeitlichen Wissenschaft die Rede sein, dann jedoch in einer fundamentalen Weise, wie die Definition des Konzepts der Naturwissenschaft unterstreicht: »Seit dem siebzehnten Jahrhundert ist die Naturwissenschaft das Abenteuer der Verzahnung von Darstellen und Eingreifen.«
more » ... ) ›Seeing things‹: Misch-Ontologien der Beobachtung Aus dem bisher Gesagten ergibt sich, dass, folgt man Hackings Lesart des Experimentierens, der Beobachter nicht einfach aus der im Prozess der experimentellen Sichtbarmachung aufgestellten Gleichung herausgekürzt werden kann. Gerade weil das Sehen an die Maschine delegiert wird, wenn etwas sichtbar werden soll, bleibt die Beobachterinstanz auf unterschiedliche Arten und Weisen Teil des Experimentalsystems. Auch für ein über die klassische Mikroskopie hinausgehendes ›Maschinensehen‹ gilt, dass ein Experimentalsystem sich nicht selbst einrichtet und zwar beobachten, in letzter Instanz aber nicht sich selbst beobachten kann. Während Hackings darstellbare Phänomene erzeugende und beobachtende Experimentatoren als Bastler zunächst die Geräte mit Achtsamkeit und Findungsgabe ans Laufen zu bringen hat, die Forscherin oder der Forscher somit als tätiges, Phänomene verursachendes Subjekt rehabilitiert erscheint gegenüber allen allzu subjektkritischen Positionen der Wissenschaftsforschung, erfährt die Rolle der Beobachtenden und der Beobachtung in den Beschreibungen Lorraine Dastons eine andere Aufladung. Diese tretren hier vor allem weniger als singuläre Bastlersubjekte in Erscheinung, sondern sind in sehr viel stärkerer Weise als bei Hacking immer schon Teil einer community respektive eines Beobachterkollektivs. Dastons Variante der experimentellen Forschung schreibt sich relativ direkt von der Konzeption kollektiver Denkstile, wie sie der polnische Bakteriologe Ludwik Fleck definiert hat, her (vgl. Fleck 2012). Fleck hatte in seiner 1935 erstmals erschienenen Studie zur »Entstehung und Entwicklung einer wissenschaftlichen Tatsache« Beispiele für erkenntnistheoretische Probleme aufgeführt, die zeigen, wie dank der kollektiven Tätigkeit und sozialen Einbindung auch »aus falschen Voraussetzungen und unreproduzierbaren ersten Versuchen [...] nach vielen Irrungen und Umwegen eine wichtige Entdeckung entstanden [ist]« (101).
doi:10.1515/9783839453032-019 fatcat:i6x57ktiorae3n6gqfdzfzrlji