Noch ein Fall von Vagitus uterinus

Otto Keller
1911 Deutsche Medizinische Wochenschrift  
In Xo. 18 diesci' \VocIienschrift berichtet Rothschild u der Bre]auer Provinzia1hebarnmen1ehran4dt über einen J1aII von Vagitus uterinus. Sema Beschreibung erinnert mich an eliieii Vail, ba derii ich absicuitliel ein Atmen des Kindes in utero herbeiführte, urn es vor dem }ratieken zu bewahren, und bei dieser Celegenheit ho ï te ich seeliebis; iebeninal (len Kin(icsschrei im Uterus. i)er Fall ag SO : riI 18. September 1909 wurde ich als damaliger Haupraktikarit der Univereitats-Frauenk)inik zu
more » ... i'lin zu einer 24 jährigen III-para gerufen I)ie beiden friiheren Partus \\aren Steißlagen gewesen mit beidesnal toten iÇndern. Bei der inneren Unteruehung fand ich die Blase stehend. den 1utternund handtellergroll. In der i'ruchtb1ase lagen die Uiil3e (les Kindes. IF:s handelte sieh also urn eine BeekenenWage, und zwar urn cille 1uf3lage. Iferztöne waren gut hurl)ar, die \Velren kräftig. Ich sprengte (lie Blue UIl(I überließ dann die (4eburt sich selbst. Unter guten \Vehen \vur(le (las Kind allmählich his zurli Nabel geboren. Nun griff ch zu, urn den Parus zu vollenden Die Liisung (1er Arme gelang leicht, und ich machte rnicl( daran, (len Kopf mit dermi VOit-SnLe]]ieSClIefl Handgriff zu entwickeln. Es war muir aber nicht möglich, da sich der äußere Muttermural wie ein eiserner Ring krampfhaft uni den Hals (les Kindes schloß. Bei gewaltsamer Extraktion hätte ich einen Zervixriß mit eventheller Verlängerung desselben in das Corpus uteri riskiert Das wollte ich nicht. Anderseits eilte die Zeit, das Kind drohte zu ersticken. Auch war es natiirlich lebhafter Wunsch der Eltern, nach zwei Totgeburten ein lebendes Kind zu haben. Ich ging also mit dem Zeige-, Mittel-und Co]dfinger (1er linken Hand am Kinn des Kindes entlang über den Mund und die Xase bis zur Stirn, stemmte die geschlossenen drei Finger in der (legend der (labella an und lüftete somit cien äußeren Muttermund vom I-false. des Kindes .Ini selben Augenblick schrie das Kind zu meiner großen Ueberraschung. Der Luftzug, der mit ilem Abheben des Mutterinundes vor das (lesieht mies Kindes gekommen war, hatte offenbar genügt, die Lungen mit Luft zu f tillen und cien Schrei auszulösen. Ungefähr sechs-bis siebenmal wiederholte sich dieser Kindsschrei. Schließlich gelang es mir, durch kräftiges Dehnen (les Muttermundes ihn so zu emweitern, daß ich die Extraktion wagen konnte. Ein Zervixriß f and sich nicht. i)as Kind, ein Mädchen, war sehr lebcnsschwach. Es hatte offenbar bei den Versuchen, (len Muttermunci zu dehnen, neben der Luft auch Fruclitwassem geschluckt. Mit dc-ni Trachealkathctcr emitfernte ich aus der Trachea cine gro° tiere Menge blutig t imigierten Fruchtwassers. Trotzalleclenc blieb (lie große Schwäche bestehen, und chis Kind starb nach 11/, Stunden.\ Auch in mijesem Eall hat cias gleichzeitige Aspiriercn von Luft mmd Fruchtwasser dciii Kind das Leben genommen. Dieses Dokument wurde zum persönlichen Gebrauch heruntergeladen. Vervielfältigung nur mit Zustimmung des Verlages.
doi:10.1055/s-0028-1130751 fatcat:b2rs6u7dwnfkpk6mkvai4og73i