Französische und italienische Buchmalerei in New York, Paris und Rom
Carl Nordenfalk
2022
Formen. Es herrscht ein heftiges Hin und Her der Linien, eine starke Dynamik, die aber nur ein unruhiges Gegeneinander kleinerer Ziige ergibt. Das zeigt sich ebensosehr bei der einzelnen Figur, die nie mehr in einheitlichem Schwung zusammengefaEt wird, wie in den Architekturen, die einen iibermafiigen, die Struktur verunklarenden Wechsel der Richtungen bieten. Eine ausgesprochene Vorliebe fur scharfe, zackige, gebrochene Formen tritt maEgebend in Erscheinung. Das Gefiihl fur den Raum fehlt
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... g. Auch im 14. Jahrhundert aber bieten diese Fresken viel Interessantes: ikonographisdie Neuerungen, eine Vorliebe fur Einfiigung genrehafter Ziige, hervorragende Leistungen wie den Kopf des Johannes von Gracanica (gegen 1320), Zyklen von erstaunlichem Umfang, die 1350 vollendeten Fresken von Decani z. B. umfassen uber tausend Einzelfiguren, zu deren Herstellung der Griinder Kbnig Stephan III. und Kaiser Dusan Kiinstler aus anderen Landern kommen lieEen. Die Anordnung der Kopien dieser Fresken in vier grofien Salen des Obergesdiosses im Bayer. Nationalmuseum bringt die hier angedeutete Entwicklung klar zur Geltung. Zugleich aber laEt die geschmackvolle und geraumige Hangung die kiinstlerische Qualitat der einzelnen Stiicke wie den Charakter als Wandmalerei gut in Erscheinung treten. Der lebhafte Besudi zeigt denn auch, daE es sich nicht nur um eine Ausstellung von historischem Belang handelt, die ein im Westen fast unbekanntes Material darbietet, sondem um eine solche grofier Kunst. SchlieElich sei darauf hingewiesen, daE diese Fresken auch fiir die Geschichte der deutschen Kunst von Bedeutung sind. Sie erweisen aufs neue die Herkunft der ottonischen Reichenauer Malereien aus dem Osten: die eine der beiden Marien in Sopocani, denen Christus erscheint, entspricht z. B. der Mutter des Jiinglings vonNain in Oberzell; der Meersturm von Gracanica zeigt das Motiv des Segelreffens, das wir in der Reichenau finden; Nerezi aber beweist eindeutig die Herkunft der ottonischen Gebardenfigur aus Byzanz.
doi:10.11588/kc.1954.8.91241
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