Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Menschen von heute : Erfahrungen diakonischer Pastoral in der Diaspora [article]

Julia Knop, Universitaet Tuebingen
2021
Erfahrungen diakonischer Pastoral in der Diaspora Wahrend bis in die 1960er Jahre über 90% der Deutschen einer Kirche angehörten, liegt der Anteil der Konfessionslosen in ganz Deutschland heute bei über einem Drittel der Bevölkerung. Die Christen stellen zusammen nur noch gut die Hälfte (katholisch: 28,5%; evangelisch: 26,5%). Diese quan titative Verteilung ist zugleich eine regionale: Während im Westen und Süden Deutschlands konfessionelle Diasporasituationen mit unterschiedlichen konfes
more » ... len Mehrheiten herrschen, besteht in Teilen Nord-und Mitteldeutsch lands sowie im Osten eine religiöse Diasporasituation. Hier bilden katholische und evangelische Kirchenmitglieder zusammen ein fünftel bis maximal ein Viertel der Bevölkerung. Ostdeutschland ist damit eine der am stärksten säku larisierten Regionen Europas. Konfessionslosigkeit ist in der ehemaligen DDR auch ein Vierteljahrhundert nach dem Mauerfall die Regel, nicht die Aus nahme. Die junge Generation, die nach der Überwindung des SED-Regimes durch die friedliche Revolution geboren worden ist, bekundet in ähnlich ho hem Ausmaß wie die Generation ihrer Eltern, nämlich mit einer Mehrheit von über 70%, noch nie an die Existenz Gottes geglaubt zu haben. Nirgendwo au ßer in Japan ist die Zahl derer, die einen persönlichen Gott bekennen, geringer als in den ostdeutschen Bundesländern (8% der Bevölkerung). Auf dem Gebiet der alten Bundesrepublik glaubt immerhin 32% der Bevölkerung, d.h. fast die Hälfte der Christen, allerdings auch nicht mehr, an einen persönlichen Gott. Während dort der Schritt in die Konfessionslosigkeit weiterhin ein Schritt der Abgrenzung gegen eine Mehrheitskultur der Kirchenmitgliedschaft bedeutet, ist Konfessionslosigkeit in den ostdeutschen Bundesländern ein Zustand, der seit mehreren Generationen andauert, als normal empfunden wird und gesell schaftlich legitimiert ist. Kein Verhältnis zu einem religiösen Glauben zu haben ist hier nicht weiter rechtfertigungsbedürftig, nicht einmal erwähnenswert. Die Gottesfrage ist für die meisten Menschen in Ostdeutschland keine Frage. Reli gionslosigkeit ist hier deshalb keine dramatische Abkehr von einem verlorenen
doi:10.15496/publikation-62903 fatcat:uhliyv6tqjd3ta6bpd24li4raa