Narration und Narratologie. Erzähltheorien in der Geschichtswissenschaft

Achim Saupe, Felix Wiedemann
2015
Do k se rve r de s Ze ntrum s für Ze ithisto rische Fo rschung Po tsda m e .V. C o pyright (c) 2016 C lio -o nline e .V. und Auto r, a lle R e chte vo rbe ha lte n. Die se s We rk e ntsta nd im R a hm e n de s C lio -o nline P ro je k ts "Do cupe dia -Ze itge schichte " und da rf ve rvie lfä ltigt und ve rö ffe ntlicht we rde n, so fe rn die Einwilligung de r R e chte inha be r vo rlie gt. Bitte k o nta k tie re n Sie : 1 von Achim Saupe, Felix Wiedemann Narration und Narratologie.
more » ... n in der Geschichtswissenschaft Historikerinnen und Historiker verfassen ihre Geschichten selbst, aber "nicht aus freien Stücken, nicht unter selbstgewählten, sondern unter unmittelbar vorgefundenen, gegebenen und überlieferten Umständen". Mit dieser Umformulierung des berühmten Marx'schen Diktums lassen sich Spielräume und Abhängigkeiten beim Verfassen von Texten charakterisieren, die sich mit der Vergangenheit beschäftigen. Denn zu den vorgefundenen, gegebenen und überlieferten Umständen gehören zweifellos auch narrative Muster und Erzählstrukturen, in die sie als Verfasser/innen von Geschichten schon immer eingebunden sind. Narrative und Erzählungen haben in den Kulturwissenschaften seit geraumer Zeit Konjunktur. Galt die Erzählung im Zuge der Hegemonie naturwissenschaftlicher Modelle lange als eine vermeintlich minderwertige Form der Erkenntnis bzw. der Erkenntnisvermittlung, so hat sie zuletzt unverkennbar eine weitgehende Rehabilitierung erfahren. Nach dem Ende der "großen Erzählungen" avanciert die Narration zu einer kulturwissenschaftlichen Leitkategorie, die in so unterschiedlichen Bereichen wie der Geschichtswissenschaft und Wissenschaftsgeschichte, aber auch in der Gedächtnisforschung, Filmwissenschaft, Soziologie, Psychologie und Rechtswissenschaft Anwendung findet. Nach einer Einführung in zentrale narratologische Theorien und Grundbegriffe stellen wir in einem zweiten Schritt narratologische Ansätze in der Theorie und Methodik der Geschichtswissenschaft vor. Abschließend sollen einige Anwendungsfelder in der Geschichtswissenschaft aufgezeigt werden. Was heißt Erzählen? Roland Barthes leitet seine Abhandlung über die strukturale Analyse von Erzählungen mit der lapidaren Bemerkung ein: "Die Erzählung schert sich nicht um gute oder schlechte Literatur: sie ist international, transhistorisch, transkulturell, und damit einfach da, so wie das Leben." Da Menschen also offenkundig überall und immer schon erzählt haben und unsere Kultur von Erzählungen durchdrungen ist, steht narratologischen Ansätzen prinzipiell ein enormer Anwendungsbereich offen. Dies geht indes nicht selten mit einer allzu großen Beliebigkeit einher, die den Begriff seiner Konturen beraubt -dem Narrativ scheint dasselbe Schicksal zu drohen, welches seinen Verwandten, den Diskurs, schon vor geraumer Zeit ereilt hat. Will man den Begriff des Narrativen jenseits der Literaturwissenschaften fruchtbar machen, ist es vonnöten, nach den Möglichkeiten und Grenzen seiner An-und Ausweitung zu fragen. Im [1] [2] [3] Vortrag, Foto: Oliver Tacke, 17.10.2013 Flickr (CC BY 2.0)
doi:10.14765/zzf.dok.2.580.v1 fatcat:n5xaqffxf5h7nijrhng4zaavci