Vorwort [chapter]

1929 Italien und der deutsche Humanismus in der neulateinischen Lyrik  
VORWORT. VII Vorwort. Der Plan zu dem vorliegenden Buche ist in den Tagen des ersten, heißesten Schmerzes um den Verlust meines geliebten Lehrers und väterlichen Freundes Wilhelm Scherer gefaßt worden. Wohl hatte Scherer gegen Ende seines Lebens wiederholt den Wunsch ausgesprochen, daß ich meine schon weit geförderte Biographie Gellerts ausbauen und vollenden möchte. Allein wichtiger als diese erschien mir eine andere, ebenfalls in seinen Endtagen bezeichnete Aufgabe. Während eines unserer
more » ... en Gespräche wies Scherer, ähnlich wie er es in bekannt gewordenen Äußerungen getan, auf die Notwendigkeit einer Erforschung der neulateinischen Poesie des 16. Jahrhunderts hin. "Mit dem lateinischen Drama", sagte er, "ist zwar ein Anfang gemacht, allein die Kenntnis dieses Gebietes genügt keineswegs; auch die anderen Gattungen müssen berücksichtigt werden." "Aber ich fürchte" fuhr er nach einer kurzen Pause fort, "es wird niemand die Entsagving aufbringen, die ungeheure Masse dieser Lyriker, Epiker und Didaktiker durchzuarbeiten." Diese Worte schössen mir in den ersten Tagen nach seinem Heimgang blitzartig durch den Sinn, und ich glaubte, eine über die allgemeinen geistigen Anregungen hinausgehende dauernde Verbindung mit dem teuren Toten dadurch am besten aufrechterhalten zu können, daß ich mich der Aufgabe zu unterziehen beschloß, deren Schwierigkeiten er für fast unüberwindbar erklärt hatte. Diese Schwierigkeiten waren allerdings noch ungleich größer als Scherer angenommen hatte. Sie ergaben sich teils aus der von ihm zu gering veranschlagten Stoffmasse, teils aus der Notwendigkeit, bei einer Darstellung der neulateinischen Dichtung Deutschlands auch die gleichartige Literatur des Auslandes, insbesondere die Italiens und der Niederlande zu berücksichtigen. Dazu kam, daß für die Mehrzahl der zu behandelnden Poeten brauchbare VIII VORWORT.
doi:10.1515/9783112331767-001 fatcat:jpwemkhdynggndffjm4yjxdjmm