Vom Traum zur Realität: Der Perzeptionswandel "Europa" während der Transformation der ČSFR/ČR , 1989–2004

Dagmar MORAVCOVÁ
2008 Journal of European Integration History. Revie d?Histoirce de l?Intégration Européenne. Zeitschrift für Geschichte der Europäischen Integration  
Der Perzeptionswandel "Europas" während der Transformation der ČSFR/ ČR, 1989-2004 145 Vom Traum zur Realität: Der Perzeptionswandel "Europas" während der Transformation der ČSFR/ČR, 1989-2004 Dagmar MORAVCOVÁ Die Wahrnehmung von "Europa" hat in den postkommunistischen Staaten Mittelund Osteuropas (MOE-Länder) nach 1989/1990 eine Entwicklung erfahren, die zu einem Aufeinanderprallen idealistischer Vorstellungen und Visionen "von den offenen Armen" eines sich vereinigenden (damals noch
more » ... ) Europas einerseits und eines Mitteleuropas mit seinen harschen Realitäten am Ende des Kalten Krieges mit allen seinen Folgen andererseits geführt haben. Die Vergegenwärtigung dieser Wirklichkeit hing mit der innenpolitischen sowie wirtschaftlichen Transformation der MOE-Länder zusammen und, ab 1993, mit den klar definierten "Kopenhagener Kriterien" der EU in Bezug auf den Beitritt der östlichen Kandidatenländer. Ziel dieses Beitrags ist die Analyse relevanter Vorstellungen über ein vereinigtes Europa und die Beantwortung der Frage, wie sich diese bei der politischen Elite der ČSSR/ČSFR und der ČR in den Jahren 1989-2004 entwickelten. Der Artikel wird den äußeren Bedingungen des sich verändernden Europas nach dem Kalten Krieg Rechnung tragen. Diese Bedingungen waren vom Zusammenbruch des sowjetischen Systems und der nachfolgenden "Selbstbefreiung" aus der Abhängigkeit von der UdSSR, den grundlegenden Veränderungen durch die Einheit Deutschlands und die Vertiefung der europäischen Integration geprägt und gleichzeitig verknüpft mit den ersten Versuchen der Realisierung einer neuen europäischen Sicherheitsarchitektur. Die gleiche Aufmerksamkeit wird den inneren Bedingungen der Perzeption dieser neuen Prozesse geschenkt, d.h. die Fähigkeit der politischen Eliten, diese Veränderungen aufzunehmen, -ganz zu schweigen von den Bemühungen, sie auf irgendeine Art zu beeinflussen. Der Beitrag verfolgt somit das Ziel, die Zusammenhänge der Veränderungen in der Struktur der internationalen Beziehungen und des wachsenden "Realismus" der politischen Vertreter des tschechischen Staates während dessen schrittweise Integration in die EU aufzuzeigen. Der Artikel ist in zwei Teile gegliedert. Im ersten werden einzelne Probleme chronologisch aufgelistet und thematisch analysiert: ab dem Beginn der politischen und wirtschaftlichen Transformation über die Lösung der Sicherheitsprobleme, der Verbesserung der nachbarschaftlichen Beziehungen (insbesondere zu Deutschland) und der Modifikation der Vorstellung von der EU als einer Wertegemeinschaft. Im zweiten Teil wird die Aufmerksamkeit auf die Konfliktpunkte der Europa-Idee im Spannungsverhältnis mit der harten politischen Wirklichkeit gelenkt: die Vision des EU-Beitritts seit dem EU-Vertrag von Maastricht 1991 über den Zerfall der ČSFR und die Entstehung der eigenständigen ČR, die Annahme der "Kopenhagener Kriterien" 1993, die Harmonisierung der "doppelten Osterweiterung", d.h. der EU und der NATO bis zum
doi:10.5771/0947-9511-2008-2-145 fatcat:nrets4ntvzao5mefiedl4g3hn4