Einleitung: Theater und (andere) Medien. Themen und Positionen
Henri Schoenmakers, Stefan Bläske, Kay Kirchmann, Jens Ruchatz, Mediarep.Org
2019
Die Frage, ob das Theater oder gar konkrete Theateraufführungen als Medien bezeichnet werden sollten, wird in kulturwissenschaftlichen Diskursen unterschiedlich beantwortet. Positionen, die Medien als vor allem technische Agenturen und Apparate begreifen, die beispielsweise Kommunikation zwischen Personen ermöglichen, welche nicht am gleichen Ort und/oder zur gleichen Zeit anwesend sind, würden die Frage mit ›Nein‹ beantworten -denn Theater und Performance setzten schließlich Jahrhunderte lang
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... oraus, dass sich Performer/-innen und Zuschauer/-innen zur gleichen Zeit im gleichen Raum befinden. In dem umfangreichen Inventar von Medien als »Ausweitungen des Menschen«, das Marshall McLuhan in Understanding Media vorgelegt hat, findet das Theater keinen Platz. Die Unterscheidung von unmittelbarer theatraler und technisierter medialer Kommunikation ist aber nicht zuletzt von der Theaterwissenschaft forciert worden, um die Spezifik des Theaters zu pointieren. Positionen, die nicht mit einem primär technisch verfassten Medienbegriff operieren, sondern Medien vorrangig über ihre Funktion oder Leistung bestimmen, könnten (wenn sie dies nicht schon getan haben) die Frage mit ›Ja‹ beantworten, etwa wenn ein ›Medium‹ allgemein als Mitte und Mittleres, als Vermittlung und Vermittler aufgefasst wird. Gleiches gilt, wenn man von Medien als Boten und Spuren (z.B. Krämer; Mersch), als Bedingung von Formbildung (Luhmann), als Wahrnehmungsanordnungen, als Dispositive (Baudry; Hickethier; Paech; u.a.) oder als Kulturtechniken (z.B. Krämer/Bredekamp; Siegert) spricht. »Medien machen lesbar, hörbar, sichtbar, wahrnehmbar, all das aber mit der Tendenz, sich selbst und ihre konstitutive Beteiligung an diesen Sinnlichkeiten zu löschen und also gleichsam unwahrnehmbar, an-ästhetisch zu werden«, heißt es im Kursbuch Medienkultur. »Medien sind nicht auf Präsentationsformen wie Theater und Film, nicht auf Techniken [...], nicht auf Symboliken [...] reduzierbar und doch in all dem virulent« (Pias u.a.: 10). Solch fundamentale und umfassende Medienbegriffe, wie sie in wissenschaftlichen Diskursen immer häufiger anzutreffen sind, lassen eine größer werdende Diskrepanz zu einem Alltagsverständnis von ›Medium‹ entstehen, das im deutschen und englischen Sprachraum vor allem mit (sowohl analogen als auch digitalen) technischen audiovisuellen Medien assoziiert wird. Die Unklarheiten über die Begriffe ›Medium‹ und ›Medien‹ und die damit einhergehende Vielfalt von Medientheorien lässt sich auch dadurch illustrieren, dass
doi:10.25969/mediarep/12529
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