Gesetzlicher Kündigungsschutz und Wirtschaftskrise - Anmerkungen zur Funktion einer arbeitsrechtlichen Institution

Rainer Erd
1982 Kritische Justiz  
Anmerkungen zur Funktion einer arbeitsrechtlichen Institution Seit acht Jahren sind die meisten hochentwickelten kapitalistischen Länder mit einem Problem konfrontiert, das in der Vergangenheit sters politische Kriscn nach sich zog: Massenarbeitslosigkeit . Was nach dem 2. Weltkrieg neben vielem anderen einem Prozeß kollektiver Verdrängung unterfiel, schob sich seit 1974 wieder unübersehbar in das Blickfeld des politischen Systems. Kapitalistische Produktionsformen generieren mit zeitlich
more » ... ierender Regelmäßigkeit okonomische Krisen, zu deren Verarbeitung die Erneuerung der Produktionsmittel (Rationalisierung) ebenso gehon: wic die soziale Umsduchtung der abhängig Beschäftigten im Wege von Massenarbeitslosigkeit und partieller NeueinsteIlung. Dieses Wechselspiel von ökonomischer Krise und Normalit:it ist so alt wie die kapitalistische Produktionsweise i r.eu indes ist, daß es sich heute im Kontext einer Gesetzgebung und Rechtsprechung ereignet, die unter Beteiligung von lnstirutionen der Arbeitnehmer auf die Sicherung von Arbeitsplätzen zielen. Frühere gesetzliche Regelungen verfolgten nicht solche umfassenden Ansprüche wie das Kündigungsschutz-Gc:secz (KSchG). Ursprünglich allein als Garanrie von Kündigungsfristen konzipien: (so etwa im .AlIgemeinen DeUlschen Handelsgesetzbuch« von ,861), erfolgte erstmals mit dem Belriebsräte-Gesetz von '920 ( § § 84 ff.) ein allgemeiner Kündigungsschutz, der allerdings die Entscheidung über die Alternative" Weiterbeschäfrigung oder Abfindung« allein in die Hände des Arbeitgebers legte. Nach der nationalsozialistischen Lösung, die im wesentlichen die Elemente des Betriebsräte-Gesetzes übernahm, den Betriebsrat jedoch eliminierte ( § § S6 H. Arbeitsordnungs-Gesetz), schufen das K$chG von 195/ und die veränden:e Fassung von '969 zum erstenma! die Möglichkeit eines -wenn auch, wie wir sehen werden, begrenzten-Besundsschutzes des Arbeitsverhältnisses'. Mit der Reform des Betriebsverfassungs-Gesetzes (BecrVG) von 1972 schließlich h:u der Gesetzgeber neben die individuelle, vom betroffenen Arbeitnehmer gerichtlich durchsetzbare Möglichkeit zur Erhaltung des Arbeitsplatzes einen kollektiven, vom Betriebsrat erzwingbaren Arbeitsplatzschutz gestellt. Im Zusammenspiel von KSchG und BetrVG liegen, so scheint es, historisch zum erstenma! Chancen für Arbeitnehmer begründet, Arbeitsplätze, die von Kündigungen bedroht sind, beizubehalten. Doch die ökonomische Krise, die seit Jahren ein Millionenheer von Arbeicslosen erzeugt, deutet darauf hin, daß der gesetzliche Kündigungsschutz Massenarbeitslosigkei[ nicht verhindern kann. Diese In[erpretation kündigungsschuruechdichcr Normen drängt sich auf, wenn man das Phänomen Massenarbeitslosigkeit näher I Z~r G«chich •• d., KLindjgung5Schur~e, .iche w. D.uble" D,s A,b.i",ech,. ßmd '. Rcinb<K bei H.mburg 1979, S. ,6) H.
doi:10.5771/0023-4834-1982-4-367 fatcat:yxfju7voc5haxpfh6svvay2t4q