Die neue Gleichgültigkeit : die Wohlfahrtsverbände nach dem Ende der dualen Wohlfahrtspflege
[article]
Matthias Möhring-Hesse, Universitaet Tuebingen
2020
Die neue Gleichgültigkeit: Die Wohlfahrtsverbände nach dem Ende der dualen Wohlfahrtspflege Kaum wurde die missbräuchliche Nutzung der Arbeitnehmerüberlassung ("Leih arbeit" ) durch die Firma Schlecker publik, gerieten auch Diakonie, AWO und Co. in die öffentliche Kritik, ihre Beschäfti gt en genau wie die Drogeriekette in Leiharbeit zu drängen und sie damit um ihren tarifvcrtraglich geregelten Lohn zu betrügen. Zwar sind es nicht die Wohlfahrtsverbände, sondern nur einige der von ihnen
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... en Einrichtungen; dennoch: Leiharbeit, Tariffiucht und Tarifverträge mit "gelben Gewerkschaften", Teilzeit, Befristung und Outsourcing, diese und andere Formen abweichender Beschäfti gu ng gibt es auch innerhalb der Freien Wohlfahrtspflege -und zwar über die Grenzen zur prekären Beschäftigung hinweg. Und nur deshalb nehmen prekäre Beschäfti gu ngsverhältnisse auch in den verschiedenen Bereichen der Sozialen Dienste zu. In der Bundesrepublik sind die Wohlfahrtsverbände und die von ihnen getragenen Einrichtungen Arbeitgeber für viele der Professionellen, die die Sozialen Dienste erbringen (vgl. Schilling 2005: 415ff; Boeßcnecker 2005: 51ff). Ständen sie wie ein "Bollwerk " für tarif vertraglich geregelte, ordentlich entlohnte und unbefristete Beschäftigung, die Prekarisierung in den Sozialen Diensten fandc nicht, fände zumindest nicht in diesem Ausmaß statt. Werden Einrichtungen der Freien Wohlfahrtspfl ege wegen abweichender und prekärer Beschäftigungsverhältnisse kritisiert, verweisen sie auf den Kos tendruck, der ihnen durch ihre Kostenträger und damit letztlich, wenn auch in hoher Abstraktion, durch den Sozialstaat auferlegt wird: Der Sozialstaat "spare" bei den Sozialen Diensten, die er (nicht nur) bei den Einrichtungen der Freien Wohlfahrtspfl ege in Auftrag gibt. Nachdem alle anderen Einsparmöglichkeiten ausgereizt wurden, könnten diese nun nicht mehr anders, als das Sparen des Sozialstaats an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter weiterzugeben und folglich bei den Kosten ihrer Beschäfti gt en einzusparen, wenn sie denn ihren "Dienst an den Menschen" aufrecht erhalten sollen und wollen. Die Behauptung, die Wohlfahrtsverbände könnten ihren Auftrag wegen der sozialstaatlichcn Unterfinanzierung der Sozialen Dienste nur zu Lasten ihrer
doi:10.15496/publikation-49128
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