Der Held als Witzfigur : Artus und Dietrich im Spätmittelalter
Andrea Grafetstätter
2018
Das kollektive Gedächtnis verbindet mit Helden wie König Artus oder Dietrich von Bern primär höfisch-ritterliche Vor bildlichkeit oder heldenepische Kampfbereitschaft. Die Mög lich keit, Texte der Gattungen 'Artusroman' und 'Heldenepik' als komisch lesbar zu inter pre tieren, scheint zunächst nicht nahe liegend. Doch gerade bei spätmittelalterlichen Texten dieser Gattungen zeichnet sich die Tendenz ab, die Idea lität von ritterlicher êre und heldenhaften Kämpfen vor dem Hintergrund der
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... ung einer karne va lesken Männ lichkeit kritisch-prag ma tisch zu hinterfragen und durch Ridikü li sie rung zu pro ble matisieren. Dieser Aspekt wird in spätmittelalter li chen und früh neu zeit li chen Dramatisie run gen der Stoffe akzentuiert, zumal hier, so meine Annahme, Publikums geschmack und pragmatische Funktion der Auf füh rung stärker in den Blick der Verfasser rücken. Freilich sind die Zusammensetzung des Publikums und damit der Adressatenkreis der Texte nicht immer genau zu bestimmen. Geht man von spätmittelalterlichen Spielen aus, ist -analog zur möglichen Konstituierung der Spieltruppenneben dem überwiegenden Anteil an nicht adeligen Stadtbürgern teilweise auch ein adelig-stadtpatrizischer Rezipientenkreis in Erwägung zu ziehen. Inwiefern dann dieses Publikum selbst Auftraggeber von Texten war, ist kaum zu beantworten; jedoch steuert der Publi kums geschmack die Produktion und Vervielfältigung entsprechender Werke, denn im Rahmen einer städtischen Selbstvergewis serung können so die eigenen Werte und Gesell schafts strukturen akzentuiert werden. Dies geht einher mit einer gleichzeitigen Demontage von hocharistokratisch-feudaladligen Helden und des Wertesystems, das sie repräsentieren. ANDREA GRAFETSTÄTTER https://doi.org/10.20378/irbo-51272 Der Held als Witzfigur Vorstellungs bereiche. 5 Ich greife im Folgenden exemplarisch die Figur des Helden heraus, der durch die Verweigerung erwartbarer Idealität lächerlich wirkt. 6 Parodierte Artusidealität im deutschsprachigen Artusroman Die po sitive Charakteristik der Artusritter und des Königs, wie sie beispielhaft Hartmann von Aue im "Iwein"-Prolog formuliert, wird vor allem im nach klassischen Ar tus roman problematisiert bzw. es werden Brüche akzentuiert, die sich mitunter bereits in den klassischen Artusromanen abzeichnen. 7 Hierfür kann der Artusroman "Daniel von dem Blühen den Tal" vom Stricker stehen, der nicht nur gattungs untypisch einen kämpfenden König Artus vorführt, sondern auch Artus in nicht besonders ruhmreicher Notlage schildert: Er wird von einem Riesen wie ein Strohbündel unter den Arm geklemmt und weggetragen (6949-6953) 8 : 5 Vgl. wir th, Vorbemerkungen, S. 163; Manuel Braun, Mitlachen oder verlachen?
doi:10.20378/irbo-51272
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