Cochrane Library frei zugänglich

2016 Schweizerische Ärztezeitung  
Die Schweizerische Akademie der Medizinischen Wissenschaften (SAMW) setzt sich seit Jahren dafür ein, dass möglichst viele Ärztinnen und Ärzte Zugang zur Cochrane Library haben und so ihren Wissensstand aktuell halten können. Seit Beginn dieses Jahres ist die Cochrane Library im Rahmen einer Nationallizenz frei zugänglich; die Nutzerzahlen haben sich bereits mehr als verdoppelt. Was in der Gesundheitsversorgung gestern noch richtig schien, gilt heute schon als überholt. Dabei sind wir vor
more » ... ern nicht gefeit. Dass der über Jahrhunderte praktizierte Aderlass ein Irrtum war, der wahrscheinlich vielen Kranken das Leben kostete, erscheint uns heute offensichtlich. Oft bedarf es aufwendiger Studien, um zu belegen, ob eine bereits eingeführte oder neue medizinische Massnahme in der Gesamtbilanz eher nutzbringend oder schädlich ist -man erinnere sich an die lange Debatte über die Hormonersatztherapie vor einigen Jahren. Für Ärztinnen und Ärzte in der Praxis ist es nicht einfach, rasch die neuesten Erkenntnisse aus der Wissenschaft zu erhalten. Dank «Open Access» sind zwar viele hochwertige Inhalte online frei zugänglich. Trotzdem ist immer noch ein Grossteil der aktuellen medizinischen Literatur den Abonnenten bzw. Lizenznehmern vorbehalten und angesichts des Preisniveaus bleibt der Zugang oft auf akademische Institutionen beschränkt. Das trägt dazu bei, dass Jahre vergehen, bis Ergebnisse der klinischen Forschung zu Verbesserungen in der Praxis führen. Man spricht vom «know-do gap». Wissenschaftliche Evidenz für die Praxis In ihrem Positionspapier Medizin als Wissenschaft forderte die SAMW schon 2009, dass junge Ärztinnen und Ärzte auch während der Weiterbildung den Kontakt zur Wissenschaft behalten. Nicht nur die in den Universitätsspitälern tätigen Ärztinnen und Ärzte, sondern auch diejenigen in kleineren Spitälern oder in der eigenen Praxis sollten in der Lage sein, ihre Patienten auf der Basis der aktuellsten zur Verfügung stehenden Forschungsergebnisse -im Sinne der evidenzbasierten Medizin -zu versorgen. In einer aktuellen Befragung betrachteten es Schweizer Ärztinnen und Ärzte in der Grundversorgung als schwierig, in ihrem Umfeld evidenzbasiert zu arbeiten (Bengough et al. BMC Fam Pract 2015). Der oft unzureichende Zugriff auf relevante Fach-journale und Datenbanken ist dabei ein wichtiger Faktor. Zudem spielen Zeitmangel und die als geringer eingeschätzte Mitarbeit der Patienten im ambulanten Sektor eine Rolle. Die besten und aktuellsten Erkenntnisse aus der Wissenschaft sind also eine wichtige Säule der evidenzbasierten Gesundheitsversorgung; vorausgesetzt, sie können mit den Prioritäten der Patientinnen und Patienten und der Behandelnden in Einklang gebracht werden. Cochrane-Reviews als Qualitätsstandard Als verlässliche Informationsquelle für eine Gesundheitsversorgung, die sich auf wissenschaftlicher Evidenz abstützt, erstellt das weltweite Netzwerk «Cochrane» seit über 20 Jahren systematische Reviews, in denen die Forschungsergebnisse zu genau definierten Fragestellungen zusammengefasst werden. Derzeit sind über 6800 Cochrane-Reviews verfügbar; sie sind international als Qualitätsstandard anerkannt und geben den Wissensstand zur Wirksamkeit und zu den Nebenwirkungen von therapeutischen und präventiven Interventionen wieder. In einer aktuellen Studie wurde die Berichtsqualität von systematischen Reviews in einer Stichprobe untersucht. Dazu wurden alle im Februar 2014 in Medline indexierten Übersichtsarbeiten im Detail auf ihre Vollständigkeit überprüft (Page et al. PLoS Med 2016). Cochrane-Reviews waren im Schnitt vollständiger als andere systematische Reviews. Dies erklärt sich mit den internen Standards, die für alle Cochrane-Reviewgruppen gelten und vor Veröffentlichung neuer oder aktualisierter Reviews überprüft werden. Viele Cochrane-Reviews bilden daher auch die Grundlage bei der Erstellung von Leitlinien und HTA-Berichten. So werden Gesundheitsinformationen bereitgestellt, deren kritische Bewertung und Synthese nach anerkannten Methoden und ohne den Einfluss kommerzieller Sponsoren erfolgt. Das spart viel Zeit und Mühe in der klinischen Praxis, aber auch Entscheidungsträger WEITERE ORGANISATIONEN UND INSTITUTIONEN SAMW 965 SCHWEIZERISCHE ÄRZTEZEITUNG -BULLETIN DES MÉDECINS SUISSES -BOLLETTINO DEI MEDICI SVIZZERI 2016;97(26-27):965-966
doi:10.4414/saez.2016.04795 fatcat:4ctivqqgr5bdtjeuvpxmk5odoa