Nach den gescheiterten Referenden: Was wird aus dem Außenminister der Union und dem Europäischen Auswärtigen Dienst?

Christoph Heusgen
2005 IG  
Seit dem In-Kraft-Treten des Vertrags von Amsterdam im Jahre 1999 hat die Gemeinsame Außen-und Sicherheitspolitik (GASP) der Europäischen Union eine beeindruckende Dynamik entfaltet. Innerhalb kürzester Zeit gelang es, unter Führung des Hohen Repräsentanten für die GASP, Javier Solana, die institutionellen Voraussetzungen zu schaffen, die es der Union erlaubten, zu einem politischen Akteur zu werden. Hatten die Balkankriege in den Neunzigerjahren noch das Unvermögen der Europäer unter Beweis
more » ... tellt, auf ihrem eigenen Kontinent für Frieden und Stabilität zu sorgen, gelang es der Europäischen Union in der Folgezeit, ihrer Verantwortung gerecht zu werden und neu entstehende Krisen im Keim zu ersticken (beispielsweise im Jahre 2001 den Ausbruch eines neuen Kriegs in Mazedonien oder den drohenden Zerfall der Bundesrepublik Jugoslawien in 2002), einen wesentlichen Beitrag zum Krisenmanagement zu leisten (wie etwa in der Provinz Ituri im Kongo 2003 oder bei den innenpolitischen Auseinandersetzung in der Ukraine 2004), wichtige militärische Aufgaben zu übernehmen (beispielsweise in Bosnien die Ablösung von SFOR durch EUFOR im Jahr 2004) und als Vermittler bei regionalen Konflikten eine größere Rolle zu spielen (beispielsweise als Mitglied des Nahostquartetts, bei der Suche nach einer Lösung des Transnistrienkonflikts seit 2003). Aufbauend auf den seit 1999 gemachten Erfahrungen sieht der Entwurf der Europäischen Verfassung eine Reihe von Bestimmungen vor, die die GASP noch wirksamer machen sollen. Nachdem es nun nicht danach aussieht, als ob wir in absehbarer Zeit damit rechnen können, dass die Verfassung in Kraft tritt, stellt sich die Frage, wie es weitergehen soll. Dazu zunächst drei grundsätzliche Bemerkungen: Erstens können wir lange über Sinn und Unsinn von Referenden diskutieren. Aber Tatsache ist, dass die Volksbefragungen zur Europäischen Verfassung in Frankreich und den Niederlanden stattgefunden haben und dass sie negativ ausgegangen sind. Wir können deswegen jetzt nicht zur Tagesordnung übergehen, die Meinung der Bürger ignorieren und die Verfassung implementieren, als ob nichts geschehen wäre. Zweitens wissen wir aber auch um die Ergebnisse von Meinungsumfragen, in denen die Bürger in allen Mitgliedstaaten der Europäischen Union -einschließlich Frankreichs, der Niederlande und Großbritanniens -auf die Frage, in welchen Politikbereichen sie eine stärkere europäische Integration wünschen, regelmäßig die Außen-und Sicherheitspolitik an erster Stelle nennen. Drittens hat bis heute niemand ernsthaft der vom Europäischen Rat im Dezember 2003 angenommenen Europäischen Sicherheitsstrategie widersprochen, die hervorhebt, dass die europäischen Nationalstaaten im Zeitalter der Globalisierung allein nicht in der Lage sind, mit * Dr. Christoph Heusgen, Leiter Politischer Stab, Generalsekretaritat des Rates der Europäischen Union. Der Inhalt dieses Beitrags gibt die persönliche Meinung des Autors wieder.
doi:10.5771/0720-5120-2005-4-336 fatcat:jyryau5cc5awpfowqo5z3djfkq