C. Gruat, Cécile Leblanc, Amis des Juifs. Les résistants aux étoiles, 2005

M. Gilzmer
2018
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more » ... 322 Francia 34/3 (2007) Cédric Gruat, Cécile Leblanc, Amis des Juifs. Les résistants aux étoiles, Paris (Tirésias) 2005, 236 S., ISBN 2-915293-24-4, EUR 22,00. Am Anfang dieses Buches stand eine ungewöhnliche Entdeckung in den Archiven. Die Autoren, zwei Historiker, fanden bei ihrer Arbeit im Centre de documentation juive contemporaine in Paris eine Liste mit Namen von Personen, die in den Tagen unmittelbar nach Einführung des »Judensterns« verhaftet worden waren. Die im besetzten Frankreich am 7. Juni 1942 bekanntgegebene Verordnung, daß Juden von nun an durch einen auf die Kleidung genähten Stern gekennzeichnet werden müßten, hatte ungewöhnliche Formen des Protests und der Solidarisierung hervorgerufen. Eine Reihe von z. T. sehr jungen nichtjüdischen Männern und Frauen hatten in den Tagen unmittelbar nach Einführung der neuen Verordnung ihre Solidarität und ihre Ablehnung dieser Maßnahme zum Ausdruck gebracht, in dem sie selbst den Judenstern trugen. Einige von ihnen wandelten das Symbol um, indem sie das Wort »Jude« durch andere Bezeichnungen, wie »Auvergnat«, »Swing« oder »papou« ersetzten und die repressive Maßnahme damit auf subversive Weise abwandelten. Dieser spezifischen Form des (Sternen-)Widerstands gehen die beiden Autoren in ihrer Untersuchung zu den »Amis des Juifs« nach. Sie charakterisieren die Maßnahme der obligatorischen (Selbst-)Kennzeichnung und damit öffentlich sichtbaren Stigmatisierung der Juden als Ausdruck der zunehmend lebensbedrohlichen Ausgrenzung und Verfolgung der Juden. Auch wenn die Zielsetzung der Vernichtung, die Durchführung der »Endlösung« als Gesamtstrategie nicht allgemein erkennbar war, so deutete sich doch mit der ersten Deportation aus Frankreich im März 1942 bereits eine Eskalation der Gewalt an. Und diejenigen, die über ein waches und klares Bewußtsein verfügten, konnten diese Vorboten des Grauens auch nicht übersehen. Als Beleg hierfür zitieren die Autoren den Hochschullehrer Marcel Mauss, den Germaine Tillion einige Tage nach Einführung der neuen Regelung besuchte. Er kommentierte seinen aufgenähten Stern prophezeiend mit den Worten: »Est-ce que vous devinez ce que cela signifie? Moi, je peux vous le dire aujourd'hui: cela signifie l'ex-ter-mina-tion ...« 1 . Gruat und Leblanc versuchen in ihrer Studie Umfang, Form und Konsequenzen widerständischer Reaktionen auf die Einführung des Judensterns zu rekonstruieren. Dabei stützen sie sich auf die wenigen Dokumente in den Archiven, vor allem Protokolle der in den ersten Tagen nach Einführung zahlreich erfolgten Verhaftungen von Schülern und Studenten, aber auch auf nachträglich geführte Befragungen und Interviews mit Akteuren aus der Zeit. Sie kommen zu dem Ergebnis, daß zwischen dem 7. und 10. Juni 1942 in Paris 35 nichtjüdische Männer und Frauen verhaftet wurden, weil sie einen Stern auf ihrer Kleidung trugen. Ihre Behandlung erfolgt stets nach dem gleichen Schema: Die unter 18jährigen wurden nach kurzer Verhaftung entlassen, die Älteren für drei Monate interniert: Männer kamen in das Lager Drancy, Frauen nach Tourelles. Dort wurden sie mit der deutlich sichtbaren Kennzeichnung als »Amis des juifs« stigmatisiert. Die Internierung sollte einerseits der Abschreckung dienen und andererseits antijüdische Ressentiments schüren. Die Motive der Sternträger waren sehr unterschiedlich und reichten von jugendlichem Übermut und spontaner Rebellion zu humaner, christlich oder politisch motivierter Revolte gegen das Gesetz und gleichzeitig auch gegen den deutschen Besatzer. Als Beispiel sei hier Solange de Lipkowski zitiert, die am 10. Juni verhaftet wurde, weil sie einen Stern mit der Aufschrift »bouddhiste« auf ihrer Jacke trug. Sie begründet ihre Aktion nachträglich folgendermaßen: »La mesure allemande sur l'étoile est celle qui m'a le plus interpellée. On ne réalisait pas vraiment avant ce qui se passait pour les Juifs. Et même si on avait su, qu'aurions nous pu faire pour manifester contre les mesures que l'on désapprouvait? Avec l'étoile, j'ai pu montrer de façon visible que je n'étais pas d'accord. Avec l'étoile, non seulement c'est devenu visible, mais en plus on voyait que les Juifs avaient honte de porter l'in-
doi:10.11588/fr.2007.3.50747 fatcat:o7vk5oxx4re7pnk64mv5jyv5eu