Rezension zu: David Nirenberg, Anti-Judaismus. Eine andere Geschichte des westlichen Denkens
Raphael Brendel
2016
Frankfurter elektronische Rundschau zur Altertumskunde 29 (2016) 84 http://www.fera-journal.eu Rezension zu: David Nirenberg, Anti-Judaismus. Eine andere Geschichte des westlichen Denkens (München 2015). Raphael Brendel Bei diesem Buch handelt es sich um die deutsche Übersetzung eines zuerst 2013 in englischer Sprache erschienenen Werkes 1 . David Nirenberg bietet darin eine Analyse des Phänomens des Antijudaismus vom Alten Ägypten bis zur Neuzeit. In der Einleitung (S. 13-23, Anmerkungen S.
more »
... -476) wird die Vorgehensweise des Buches erläutert: Untersucht werden sollen die Gründe für die Beschäftigung verschiedener Kulturen mit dem Judentum und der Antijudaismus als Möglichkeit der kritischen Auseinandersetzung mit der Welt und der eigenen Positionierung darin. Nirenberg beschreibt -worüber man gewiss streiten kann -sein Werk als in drei Punkten von der üblichen Geschichtswissenschaft abweichend: 1) Auf die Gedankenwelt der Juden selbst geht er kaum ein, da ihn das Nachdenken über das Judentum allgemein (und nicht nur dort, wo es im Austausch mit dem Judentum erfolgt) interessiert. 2) Er sieht Ideen nicht als Protagonisten der Geschichte an, räumt ihnen aber genug Macht ein, um die Wahrnehmungen der Welt und die daraus resultierenden Handlungen zu prägen. 3) Er beschränkt sich nicht auf einen kurzen Zeitraum, sondern behandelt dreitausend Jahre Weltgeschichte. Das erste Kapitel (S. 25-57, Anmerkungen S. 477-486) deckt das Alte Ägypten, die griechische Geschichte und das römische Reich bis zur frühen Kaiserzeit ab. Nirenberg zeigt, wie sich der Status des Judentums in Ägypten von dem einer grundsätzlich tolerierten Religion zu dem einer abgelehnten Gruppierung entwickelte. Neben der Kooperation mit den persischen Besatzern im fünften vorchristlichen Jahrhundert bildete insbesondere das Passahfest als Gedenken an den Auszug aus Ägypten und die damit verbundene Schlachtung der Lämmer, die durch die Vertreter des Chnumkultes als anstößig empfunden wurde, den Hauptgrund für die negativere Einschätzung des Judentums. Weiterhin widmet sich Nirenberg der Darstellung des Exodus in der antiken Historiographie, wobei der Schwerpunkt der untersuchten literarischen Auseinandersetzung zeitlich von Manetho bis Josephus reicht. Erwähnenswert ist die Feststellung, dass die Ägypter kein einheitliches Moses-Bild besaßen, sondern sich positive wie negative Darstellungen nachweisen lassen. Der nächste große Themenkomplex zeichnet die Situation der Juden in Alexandria nach. Nirenberg arbeitet hier die Probleme der alexandrinischen Juden heraus: Erstens waren sie zwar Bewohner der Stadt, ihnen blieb aber das Bürgerrecht verwehrt. Zweitens sahen sie sich angesichts der ablehnenden Haltung der städtischen Eliten dazu gezwungen, bei Auseinandersetzungen zwischen diesen und dem hellenistischen König die Partei des letzteren zu ergreifen, was ihnen wiederum seitens der Eliten weitere Ablehnung einbrachte. Dieses Bild blieb auch im römischen Reich bestehen. Es wurde wiederholt der Vorwurf erhoben, dass die Entscheidungen des Kaisers von jüdischer Seite beeinflusst seien (so in den Acta Alexandrinorum zu Claudius und Trajan); im römischen Selbstbild spielten die Juden hingegen keine Rolle.
doi:10.21248/fera.29.163
fatcat:uu5axqa4njcgppa2rzughdge2a