Zeitschrift für Medienwissenschaft. Heft 25: Spielen

(:Unkn) Unknown, Mediarep.Org, Gesellschaft Für Medienwissenschaft
2021 Zeitschrift für Medienwissenschaft  
gesellschaft für medienwissenschaft (hg.) 2/2021 zeitschrift für medienwissenschaft 2/2021 SPIELEN 25 -EDITORIAL Medienwissenschaft zu betreiben bedeutet immer auch, sich zu fragen, was die Voraussetzungen und Bedingungen der eigenen Forschung sind. Die Medialität von Dingen und Ereignissen wird häufig erst in der Beschäftigung mit ihrer Theorie und Geschichte, ihrer Technik und Ästhetik freigelegt. In diesem Sinne betreibt die ZfM eine kulturwissenschaftlich orientierte Medienwissenschaft, die
more » ... Untersuchungen zu Einzelmedien aufgreift und durchquert, um nach politischen Kräften und epistemischen Konstellationen zu fragen. Unter dieser Prämisse sind Verbindungen zu internationaler Forschung ebenso wichtig wie die Präsenz von Wissenschaftler_innen verschiedener disziplinärer Herkunft. Die ZfM bringt zudem verschiedene Schreibweisen und Textformate, Bilder und Gespräche zusammen, um der Vielfalt, mit der geschrieben, nachgedacht und experimentiert werden kann, Raum zu geben. Jedes Heft eröffnet mit einem SCHWERPUNKTTHEMA , das von einer Gastredaktion konzipiert wird. Unter EXTRA erscheinen aktuelle Aufsätze, die nicht auf das Schwerpunktthema bezogen sind. DEBATTE bietet Platz für theoretische und / oder (wissenschafts-)politische Stellungnahmen. Die Kolumne WERKZEUGE reflektiert die Soft-und Hardware, die Tools und Apps, die an unserem Forschen und Lehren mitarbeiten. In den BESPRECHUNGEN werden aktuelle Veröffentlichungen thematisch in Sammelrezensionen diskutiert. Die LABORGESPRÄCHE setzen sich mit wissenschaftlichen oder künstlerischen Forschungslaboratorien und Praxisfeldern auseinander. Von Gebrauch, Ort und Struktur visueller Archive handelt die BILDSTRECKE. Aus gegebenen Anlässen konzipiert die Redaktion ein INSERT. Getragen wird die ZfM von den Mitgliedern der Gesellschaft für Medienwissenschaft, aus der sich auch die Redaktion (immer wieder neu) zusammensetzt. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, sich an der ZfM zu beteiligen: (1) die Entwicklung und redaktionelle Betreuung eines Schwerpunktthemas, (2) die Einreichung von Aufsätzen und Reviewessays für das Heft und (3) von Buchrezensionen und Tagungsberichten für die Website. Die Veröffentlichung der Aufsätze erfolgt nach einem Peer-Review-Verfahren. Alle Beiträge sind im Open Access verfügbar. Auf www. zfmedienwissenschaft.de befinden sich das Heftarchiv, aktuelle Besprechungen und Beiträge in den Web-Extras, der Genderund der Open-Media-Studies-Blog sowie genauere Hinweise zu Einreichungen. Spiel / en 1 ist ein Kulturphänomen, mit dessen Untersuchung und Erklärung sich in den vergangenen 150 Jahren die unterschiedlichsten Disziplinen befasst haben. Es gibt unter anderem kulturhistorische, 2 sozialwissenschaftliche, 3 anthropologische 4 oder psychologische 5 Ansätze zum Spiel / en, die ihren Gegenstand im Lichte ihrer jeweiligen Traditionen z. B. als konstitutiv für die menschliche Kultur, als Abbild von Gesellschaftsformen oder als zentrales entwicklungspsychologisches Element verstehen. In den meisten dieser Ansätze geht es um Spielen als eine Praktik, als eine Art und Weise, sich gegenüber den Dingen, der Welt, Menschen wie auch nichtmenschlichen Wesen zu positionieren. Zugleich gehört die Frage, wie ihre Gegenstände adäquat zu erfassen wären, zu den andauernden Herausforderungen der Spielforschung, da sich Spiel / en offenbar Definitionsversuchen entzieht und sich als widerständiges, kontinuierlich veränderliches Phänomen erweist. Die Mittel und Objekte zum Spielen sind für diese Definitionsversuche zunächst sekundär, gespielt werden kann mit allem, 6 wenn es auch manchmal strenger Regeln oder spezieller Orte bedarf. Es verwundert daher nicht, dass auch der Computer bald nach seiner Entwicklung zum Spielzeug wird, dessen Geschichte nicht zuletzt anhand der Spiele erzählt werden kann, die mit ihm gespielt worden sind. 7 Im Zuge der Verbreitung digitaler Technologien wird Spiel / en zu einer zentralen Form der Mensch-Maschine-Interaktion, um die sich inzwischen eine Industrie formiert hat, deren Jahresumsätze nach wie vor apologetisch mit denen der Filmindustrie verglichen werden, um ihre Relevanz zu unterstreichen. Für die Medienwissenschaft ist Spiel / en somit ein entscheidender Begriff, da sich mit ihm Praktiken erschließen, die die Nutzung, Verbreitung, Veränderung und Entwicklung digitaler Medien wesentlich prägen. Dazu gehören z. B. der Umgang mit Interfaces und Eingabegeräten, die Optimierung von Systemen oder das Erlernen von Programmiersprachen -alles kann im Spiel / en erschlossen werden. Dementsprechend sind Spiel und Spielen seit Jahrzehnten ein Gegenstand medienwissenschaftlicher Forschung, wovon sowohl national wie auch international SPIELEN -Einleitung in den Schwerpunkt 12 Zf M 25, 2/2021 liefern, ein gegebenes Spiel möglichst rasch und unter Ausnutzung sämtlicher Programmfehler und glitches zu beenden. 14 Die Fehler auf Ebene des Programms und der Hardware laden zu einer Form des Spielens ein, die sich ihrer medientechnischen Bedingungen notwendigerweise bewusst sein muss. 15 Die Ästhetik, die durch Fehler oder nach gezielten Eingriffen in den Programmcode entsteht, markiert digitale Spiele zudem auch als Material künstlerischer Produktion, wie eine ganze Reihe von (Video-)Kunstwerken auf Basis modifizierter Computerspiele zeigt. 16 Prozesse der Optimierung, Anpassung und Modifikation von Spielregeln können als Praktiken des metagaming gefasst werden, womit das Spielen mit den Regeln des Spiels gemeint ist. 17 Metagaming findet jenseits des einzelnen Spiel /en / s in Community-Diskussionen und Strategie-Evaluationen statt, beeinflusst Spiel /en aber inzwischen in einer Weise, die deutlich macht, dass Spielen mit digitalen Spielen nicht länger nur als eine nachgeordnete Ausführung der Anweisungen von Spielregeln verstanden werden kann. Der Schwerpunkt situiert sich in diesen Debatten um die Praktiken des Spiel /en / s und verfolgt dabei zwei Ziele. Erstens geht es darum, die politische Dimension des Spiel /en / s für die Game Studies herauszuarbeiten. Wenn Spiel / en, wie eingangs argumentiert, als eine spezifische Beziehung zur Welt aufzufassen ist, dann gehen mit ihm auch politische Fragen einher, die bei dem sehr grundsätzlichen Problem, wer mit wem oder womit spielt, beginnen und bei den sehr konkreten jüngeren Konvergenzen von Games-und Protestkultur enden. Wie man im Spielen das eigene Verhältnis zur Welt aushandelt oder aushandeln kann, ist eine politische Frage. Es ist aber auch, womit die zweite Dimension des Schwerpunktes angesprochen wäre, eine Frage des Mediums. Während die Spielzeuge oder Spielmittel in den oben genannten klassischen Theorien des Spiel /en / s eine nachgeordnete Rolle spielten, sind sie für die medienwissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Spiel /en nach wie vor zentral. Doch wären Medium Spiel, Spielende und konkrete Spielpraktiken in ihren gegenseitigen Wechselbeziehungen zu fassen. In digitalen Kulturen etwa sind Computer die Technologie, über die die Welt spielerisch erschlossen werden kann. Dafür ist es allerdings notwendig, Computer nicht allein als regelgeleitete und ihre User erziehende Maschinen zu begreifen, sondern danach zu fragen, welche Praktiken des Spielens sie ermöglichen und welche Praktiken mit ihnen tatsächlich vollzogen werden. In diesem Sinne positioniert sich dieser Schwerpunkt in der jüngeren Forschungstradition der Game Studies, die Spiel / en als Praktik auffasst. Wir eröffnen den Schwerpunkt mit einem Beitrag von AARON TRAMMELL, der eine programmatische Re-Lektüre der Game Studies in Gefolge der Black-Lives-Matter-Bewegung vornimmt und zu einer postkolonialen Reflexion medien theoretischer Bestände auffordert. Unter Bezugnahme auf Praktiken der Folter arbeitet Trammell heraus, dass die für Autoren wie Johan Huizinga und Roger Caillois zentralen Merkmale des Spiel /en / s wie Freiwilligkeit und Konsequenzlosigkeit spielerischen Handelns aus der Perspektive Schwarzer
doi:10.25969/mediarep/16776 fatcat:jjgpzmciyjexjciiumx4f7fypu