Situation der Philosophie, Kultur der Philosophen Über die neudeutsche Universitätsphilosophie
ULRICH JOHANNES SCHNEIDER
1996
Deutsche Zeitschrift für Philosophie
Seit l lJlJO sind westdeutsche Verhältnisse auch im Osten der erweiterten BRD anzutreffen: Für wenige Bereiche trifft das so allgemein zu wie für die Universitäten, die in den neuen Bundeslän dern strukturell denen der a lten Bundesländer gleichgemacht wurden . Die Inhalte haben gewechse lt.j e nach Disziplin. Aber ist damit alles gesagt? Was heißt das zum Beispiel für die Philosophie. nachdem die Universitäten das westdeutsche Muster adaptiert haben . und zugleich Inhalte und Personen fast
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... ig ausgetauscht wurden? In der DDR gab es Philosophie als Fach an mehreren Universitäten in eigenen Sektionen. die neben den Sekt ionen für Marxismus-Leninismus bestanden. Zwar wurden alle Lehrenden der Philosophie als Marxisten-Leninisten angesehen und verstanden sich in der Rege l selbst auch so. es gab gleichwohl ein relativ breites Spektrum verschiedener Interessen. sowoh l in historischer a ls auch in systematischer Hinsicht. Wie im Westen gab es Philosophiehistoriker für Antike. Mittelalter. Neuzeit und Moderne (genannt "bürgerliche Ph ilosophie··). dazu noch solche für die zeitgenössische westliche Philosophie (genannt "spiithürgerliche" Ph ilosophie). Im systematischen Bereich variierten die Interessen von Erkenntn istheorie üher Wissenschaftstheorie bis hin zu ethischen und sozialen Problemen . Es gah in der Forschung durchaus so etwas wie die Bildung schulähnlicher Zusammenhänge um einzelne Lehrstühle. Allseitiges Schweigen Heute sind die Interessen derer. die an den Un iversitäten der neuen Bundesländer Philosophie unterrichten . ungleich stärker diversifiziert. Das hat vor allem damit zu tun . daß der Marxism us-Leninismus keine Rolle mehr spielt. Mit der Staatsideologie ist in Ostdeutschland -anders a ls in Rußland oder Polen -auch der dazugehörige philosophische Betrieb verschwunden: was bis 1990 die Geister beschäftigte. wurde in kurzer Zeit zu einer Größe . üher die man nur in der Yergangenheitsform sprechen kann. Dazu kommt. daß die Protagoni ste n der Philosophie in der DDR heute keine St imme mehr haben : Während ··· Teile lks fol genlk n Textes sind identisch mit eine m unveriiffentlichten Meinungshild. das der Verfasser :1 uf A nfra ge der UNESCO erste llt hat. Der Verfasser. aus dem Westen Deutsc hlands kommend und seit 1992 Assis tent am Philosophischen Institut der Universiliit Le ipzig. hat seine Ausführungen mit vie len ost-und westdeu tschen Phi losoph en diskutiert. meistens kontrovers. V ie lleicht kann diese Verii lkntlichun g dazu dienen. das im Tite l angesprochene Thema zu vertiefen.
doi:10.1524/dzph.1996.44.1.149
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