Der Papst im Spiegel der Öffentlichkeit. Auswirkungen mangelhafter Kommunikationspolitik – untersucht anhand von zwei Fallbeispielen

Gerd Strohmeier
2010 Communicatio Socialis  
Auswirkungen mangelhafter Kommunikationspolitik -untersucht anhand von zwei Fallbeispielen Gerd strohmeier "Das liegt [...] im Wesen des Mediums selbst, dass [...] die Gewichte zwischen dem Wesentlichen und Unwesentlichen verschoben werden [...]. Die Menschen sind ja beim Ereignis selbst nicht dabei, aber sie sehen den Bericht über das Ereignis, der notwendigerweise schon eine Interpretation und eine Auswahl ist und am Schluss wird also der Bericht wichtiger als das Faktum selbst. Das heißt,
more » ... fangen an, immer mehr vom Schein zu leben, von der Erscheinung -und damit sozusagen dann auch für die Erscheinung zu produzieren. Auch die Politiker, auch die Kirchenleute, sind in Gefahr, dass sie nicht mehr fragen, was ist jetzt das eigentlich Richtige, sondern was wird ankommen, wie wird es berichtet werden, wie wird es angenommen werden. Das heißt, dass man schon gar nicht mehr für die Wirklichkeit handelt und nach den Maßstäben, die einem dafür das Gewissen vorgäbe, sondern für die Erscheinung handelt, die man machen wird. Und diese Knechtschaft, in [die] Menschen des öffentlichen Lebens, Politiker wie Kirchenmänner, sehr leicht geraten können, die wäre dann natürlich wirklich verhängnisvoll [...]." 1 Dies sagte Joseph Kardinal Ratzinger 1997 -acht Jahre vor seiner Wahl zum Oberhaupt der römischkatholischen Kirche. Der Versuchung, durch die Medien zum -wie er es bezeichnete -"Knecht" seiner Erscheinung 2 zu werden, ist er weder vor noch nach seiner Wahl zum Papst unterlegen. Hätte er als Papst mehr für die Erscheinung produziert, hätten ihn die Medien wohl auch kaum als "Der Fehlbare" 3 oder "Der Entrückte" 4 etikettiert. Die Medienberichterstattung über Papst Benedikt XVI. ist in der Regel kritisch, häufig negativ, manchmal sogar vernichtend -auch in Deutschland. Während man dort 2005 die Wahl von Joseph Kardinal Ratzinger zum ersten deutschen Papst seit fast 500 Jahren noch überschwänglich feierte (die "Bild"-Zeitung tat dies am 20.4.2005 mit der Überschrift "Wir sind Papst!"), wurden manche spätere Äußerun-1 In einem Gespräch mit August Everding im Bayerischen Fernsehen: Begegnung in Rom, 15.4.1997 (Manuskript online unter
doi:10.5771/0010-3497-2010-4-404 fatcat:qi53ymvitvbkdoq22ul45eqqtu