Die paläolithisch-ethnographischen Bären-Riten und das Alt-Indogermanische
Walther Wüst
2021
Die wissenschaftsgeschichtlichen, methodologischen und materiellen Fakten, die für meinen Thema-Bereich als Voraussetzungen Gültigkeit beanspruchen, lassen sich folgendermaßen fixieren: seit einigen Jahrzehnten hat die Vorgeschichte aus einer Reihe glückhafter Funde, die geographisch von Südwestfrankreich über die Nordostschweiz und das Salzkammergut bis nach Slowenien, Siebenbürgen und Schlesien, chronologisch vom Magdalenien über das Aurignacien bis wohl ins Mousterien des ausgehenden letzten
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... Interglazials sich erstrecken, eine feste Theorie der paläolithischen Bären-Riten entwickelt, die ihrerseits, obwohl sie von namhaften Prähistorikern vertreten ward und wird, doch gerade während der letzten Zeit in steigendem Maße auf Ablehnung bei ebenso anerkannten Fachgenossen gestoßen ist. Ohne Namen zu nennen, ohne das Für und Wider zu prüfen und ohne jetzt schon Instanzen dafür anzurufen, auf wessen Seite in diesem keineswegs bedeutungslosen Kampf der Geister Wahrscheinlichkeit und Recht sich befinden, mag doch soviel füglieh behauptet werden, daß die Stichworte .Bär" und .Bären-Ritus" in Max Eberts klassischem .Reallexikon der Vorgeschichte" heutzutage ein ganz anderes Aussehen trügen, als es in den zwanziger Jahren die mehr oder minder kursorische Behandlung, dazu noch im Rahmen anderslautender Artikel wie .Diluvialfauna" und dergleichen, veranschaulichte. Während des seihen Zeitraumes ist die Nachbardisziplin der Völkerkunde ebenfalls durchaus nicht untätig geblieben, sondern hat halb vergessene ältere, bis ins 17. ] ahrhundert zurückreichende Berichte wieder ans Licht gezogen, neue, bisher so gut wie unbekannte ethnographische Sachverhalte an Ort und Stelle aufgezeichnet, beide Fundgruppen sorgfältig analysiert und so, in Sammlung wie in Interpretation, die Möglichkeit geschaffen, den völkerkundlichen Bären-Riten-Komplex dicht und dichter an das entsprechende prähistorische Syndrom heranzuführen, ja, schließlich mit ihm genetisch zu vereinigen. Auch diese Tätigkeit, selbstverständlich die der Material-1 Wortlaut meines Vortrages, der infolge Verhinderung beim Jahreskongreß 1955 unserer Gesellschaft nicht gehalten worden ist. Im Vortrage selbst finden sich nur die allereinfachsten Grundlinien aufgezeichnet; für Weiteres siehe einstweilen meinen p. 166 ff. abgedruckten Beitrag .Indogermanistisches zur Urgeschichte der Sexualvorstellungen". Für allfällige Kritiker bemerke ich vorsorglich, daß meine im nachstehenden Texte vorgetragene linguistische Dokumentation nicht etwa den mehr oder minder unverbindlichen Nachweis einer elementar· verwandtschaftlichen Parallele oder sekundären Konvergenz beabsichtigt, sondern vielmehr einen historisch konkreten, kausal konstanten Realzusammenhang herausarbeitet.
doi:10.7485/qu.1956.7.82374
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