Bemerkungen zur Analyse von Braunkohlenteerölen
Ad. Grün, E. Ulbrich
1920
Angewandte Chemie
295 38. Jahrgang 19201 wasserung, namentlich der unterirdischen durch sog. Dranunp, der Bdenbearbeitung besonders bei Neukulturen im GroBbetrieb durch Anwendung sehr vervollkommneter Kraftgeriite, wie z. B. des Landbaumotors, der Anwendung natiirlicher und kiinstlicher Dungemittel, sind in der Hauptsache theoretisch wie praktisch befriedigend beantwortet, wenn damit auch nicht gesagt sein soll, da13 nicht tLglich neue Aufgaben in dieser Richtunp an uns herantreten. Als besonderer Fortschritt
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... letzten anderthalb Jahrzehnte ist zu verzeichnen, daB es gelungen ist, selbst auf den armsten und am geringsten geachteten Moorbodenformen in verhiiltnismiiBig kurzer Frist und rnit unter normalen Zeitliiuften wirtschaftlichen Aufwendungen Futterflachen, insbesondere Weiden, zu schaffen, die in ihren Leistungen fiir Jungvieh wie Milchvieh, ja selbst in der Erzeugung hochwertigen Fettviehs, nach streng vergleichenden Versuchen der Moor-Versuchs-Station nicht hinter den besten Weidebiden, z. B. den weitberiihmten nordwestdeutschen Marschen zuriickstehen. Besonders auffallend ist die Leistung der Moorweiden bei Jungvieh, fiir die wir eine Erklkirung in dem Umstand gefunden zu haben glauben, daB das auf ihnen erzeugte Futter an bestimmten organischen Phosphorverbindungen, Lecithinen, im Vergleich zu anderen Boden sehr reich ist, Stoffe, denen die Physiologen einen besonderen Wert fiir die Entwicklung der Knochen, Muskeln und Nerven beimessen. Die verhiiltnismaBig groBere Beweglichkeit der Phosphorsaure im Moorboden im Vergleich zu anderen B d e n hiingt vielleicht ursachlich rnit dieser Erscheinung zusammen. Auf der Grundlage des sicheren und leistungsfahigen Futterbaues gestaltet sich die wirtschaftliche Nutzung und insbesondere deren vornehmstes Ziel, die Besiedlung der Moorodlandfliichen, auBerordentlich sicher. Bis vor kurzem handelte es sich bei der Moorbesiedlung fast ausschlieBlich um die Bepiindung kleinbiiuerlicher Nahrungen, auf der neu gewonnenen Grundlage ist auch die Schaffung mittel-und groBbiiuerlicher Betriebe mit Erfolg moglich gewesen und damit die Grundung von Moorsiedlungen mit gemischtem Besitzstand, ein nach jeder Richtung auch heute noch erstrebenswertes Ziel. Die vorteilhafteste wirtschaftliche Gestaltung in allen diesen landwirtschaftlichen Betrieben versohiedenor GroBe erblicken wir darin, daB der groBere Teil, etwa zwei Drit,tel der Fla.che, dauernd dem Futterbau, ein Drittel dem Ackerbau dient und da13 die Futterfliichen unter Anwendung kiinstlicher Diingemittel die Erniihrung eines so groBen Viehstandes ermijglichen, daB der erzeugte natiirliche Diinger im wesentlichen fiir die Versorgung des Ackerlandes ausreicht. Landw'rtschaftlich-technisch sind wir also fiir die Aufgabe, die vaterlitndischen Moorodlandfliichen in bliihende und ertragreiche Gefilde umzuwandeln, wohl geriistet, und die sich einer freudigen Entwicklung erfreuenden neuen Moorsiedlungen der letzten Jahrzehnte liefern dafiir den lebenden Beweis. Unsere Sorgen fiir die nachste Zukunft liegen auf einem ganz anderen Gebiete. In einer Zeit, in der der Staat stark und reich war und spielend die Mittel fiir eine umfassende, groBziigige Besiedlung aufzubringen imstande war, ist es leider aus falsch verstandenen finanziellen Rucksichten nicht moglich gewesen, ihr die Ausdehnung zu geben, die sie rnit Rucksicht auf ihre groBe nationale und wirtschaftliche Bedeutung mit Recht hatte erreichen mussen. Heute nach dem Niederbruch unseres Vaterlandes, bei der ungeheueren wirtschaftlichen Notlage und der ungeheueren Steigerung der Kosten fiir alle Aufwendungen, fiir Meliorationen und Bauten, die vielfach das Zehnfache des Normalen und mehr erreichen, ist Kultivieren und Kolonisieren nachgerade fast zu einer Unmiiglichkeit Feworden, und es ist geradezu eine Gewissenlosigkeit, in der Richtung iibertriebene Hoffnungen zu erwecken. Erst wenn der Wahn, der breite Schichten unseres Volkes befallen hat, geheilt, erst, wenn die Anscha,uung, daB nicht in der Steigerung des Einkommens und der Lijhne, sondern in der Leistungsfahigkeit und Arbeitsfreiidigkeit unser Heil liegt, erst, wenn wir uns alle wieder des alten Lutherwortes erinnern: "Tanturn sumus et habemus, quantum credimus", das werden wir sein und haben, was wir im festen Glauben an uns selbst sein und haben wollen, dann erst wird die Zeit kommen, wo wir uns dieser gewaltigen und wichtigen Aufgabe wieder mit Erfolg widmen konnen. Moge sie nicht zu fern sein! Gestatten Sie mir zum SchluB noch ein kurzes Wort uber das Verhaltnis der landwirtschaftlichen zur technischen Nutzung des Moores, zwiachen denen oft, ein nicht begriindeter Gegensatz aufgestellt worden ist. Er ist nicht vorhanden, wenn die technische Ambeutung der Moore sich stets dessen bewuBt ist, daB selbst die allergewinnbringendste technische Verwertung, allgemein wirtschaftlich betrachtet, nicht in der Lage ist, entfernt den Verlust zu decken, der durch die Verwiistung von Moorflbhen, ihre Untauglichmachung fiir landwirtschaftliche Zwecke verursacht wird, heute noch weniger wie friiher, nachdem wir groBe landwirtschaftlich hochwichtige Gebiete vaterliindischen Bodens, wenn auch hoffentlich nicht fiir immer, verloren haben. Der herrschenden Brennstoffnot kann durch Ausbeutung der Torfmoore in den meisten Fiillen Rechnung getragen werden, ohne daB dadurch wertlose Wassertiimpel entstehen, und wo in der Not der Zeit wirklich Moorfliichen diesem Zweck geopfert werden miissen, kann in den meisten Fhllen durch richtigesorgehen ier Schaden auf ein geringstes MaB eingeschriinkt werden. Es ist :u wiinschen und Aussicht vorhanden, daB das in der vorliegenden Form vollig unzureichende, auch nicht allgemein geltende Moor-;chutzgesetz bis zur nbhsten Torfbetriebszeit entsprechend ver-Jessert und wenn moglich Reichsgesetz wird, urn eine ubergrol3e Verwiistung wertvollen, vaterliindischen Bodens sicher zu verhuten. Dann werden landwirtschaftliche und technische Moornutzung 5inander nicht hemmen und feindlich gegeniiberstehen, sondern sich ;egenseitig fordern in der ErschlieBung und Umwandlung der deut-.then Moorodlandflachen in bluhendes Kulturland, auf denen ein ;tarkes und gesundes Bauerngeschlecht ein zwar arbeitschweres, aber sichercs Dasein findet. Heft 80 dieser Zeitschrift enthalt eine belangreiche Mitteilung iiber die Jodzahl der Braunkohlengenerat~orteere von W. R. R ocl e r e rl) , derzufolge sich diese Teere oder in denselben enthaltene Kohlenwasserstoffe gegen Halogenlosungen iihnlich vcrhalten, wie nach den Feststellungen des einrn von uns mit J a n k o dm Kolophonium oder die Abietinsaurenz) und nach den Beobachtungen von M a r g o s c h e s das Wollwachs8): Man erhiilt je nach den Mengenverhiiltnissen und den Einwirkungszeiten ganz verschiedene Zahlen, nur bei Anwendung bestimmter, groBer Halogeniiberschiisse und langer Einwirkungsdauer anniihcrnd brauchbare Maximalwerte. Was die Ursache dieser Erscheinung anbelangt, so schlieBt R o d e r e r auf Grund von Vergleichsversuchen, nach welchen weder olefinische, noch aromatische oder ungesiittigte hydroaromatische Kohlenwasserstoffe solches Verhalten zeigen, daB vielleicht neben anderen Kohlenwasserstoffen auch Diolefine rnit konjugierten Doppelbindungen vorliegen. Wir haben bei der Untersuchung-von'Braunkohlenteerolen auf ihre Eignung fur gewisse Zwecke, sogenannte Veredelungsprozesse, gelegentlich einige Beobachtungen gemacht, durch welche die Angaben von R 6 d e r e r erganzt werden. Bei der Analyse einiger Teerole und ihrer Kohlenwasserst.offanteile fanden wir namjich, auch schon nach einstiindiger Einwirkung des ublichen Uberschusses an W i j s scher Jodliisung, betriichtliche Jodzahlen, die mit den bei der praparativen Aufarbeitung erhaltenen kleinen Ausbeuten an Reaktionsprodukten der Olefine nicht im Einklang standen. Ein mehr oder weniger groBer Teil des Halogens muBte also zur Siittipng cyklischer Verbindungen oder f iir Substitutionsreaktionen verbraucht werden. Zur Entscheidung dienten folgende Versuche mit dem 01 aus dem Braunkohlenteer eines Mondgaserzeugers. Das rohe 01 wurde zuniichst mit iiberhitztem Wasserdampf destilliert., wobei ungefiihr 90% zwischen 180 und 260' iibergingen. Zur Entfernung der Phenole verriihrten wir das Destillat viermal mit Natronlauge von 15' BB eine Stunde bei 60-70'; das verbleibende 01 wurde zur Entfernung der Amine fiinfmal rnit 25%. iger Schwefelsiiure behandelt, neutral gewaschen und wieder mit uberhit,ztem Dampf destilliert, wobei die Gesamtmenge -36% vom ersten Destillatzwischen 240 und 260° uberging. Die Analyse ergab: spez. Gew. bei 17,8' = 0,9400 Jodzahl = 54,84. Da aus der Jodzahl, wegen der Moglichkeit einer Substit,uierung von Wasserstoff durch Halogen, nicht mit Sicherheit auf die Gegen. wart von Olefinen oder auf deren Menge geschlossen werden kann, bestimmten wir auch die Bromzahl nach dem Verfahren von M c I1 h i n e y , bei dem spwohl die addierte als auch die substituierende Brommenge ermittelt wird. Wiirde bei der Bestimmung der Jodzahl und der Bromzahl Halogen bloB angelagert, so hatte sichder Jodzahl von 54,84 entsprechendeine Bromzahl (% addiertes Brom) von 34,53 ergeben miissen. Es wurde jedoch gefunden: addiert,es Brom = 11,06% substituierendes Brom = 48,78%*). l) Die Jodzahl von Mineralolprodukten von Dr. W. R. R o -2, Chem. Umschau 26, 20, 35 [1919]. a) 01und Fettindustrie 1, 470 [1919]. 9 Die Analyse der zweiten Fraktion, der iiber 260' siedenden Anteile d?? Teerols, ergab nach Entfernung der Phenole undfAmine in guter Ubereinstimmung: d e r e r , Angew. Chem. 33, I, 235 [1920]. Jodzahl = 40,971 addiertes Brom = 3,34%, substituierendes Brom 42,23%, (aus der-Jodzahl wiirden sich 25,79y0 berechnen).
doi:10.1002/ange.19200339603
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