Die Bundestagswahl 2021 unter den Bedingungen der Pandemie
Josef Franz Lindner, Fachinformationsdienst Für Internationale Und Interdisziplinäre Rechtsforschung
2021
Verfassungsblog
Zu den ungelösten Problemen im rechtlichen Umgang mit der Corona-Pandemie gehört das Verhältnis von Infektionsschutzrecht und Wahlrecht. Darf die Ausübung des Stimmrechts an infektionsschutzrechtliche Auflagen, etwa das Tragen einer Maske oder die Vorlage eines negativen Coronatests, geknüpft werden? Die Kommunalwahlen in Bayern im Frühjahr 2020 in der Frühphase der Pandemie hatten insoweit noch nicht zu größeren Verwerfungen geführt (s. dazu Lindner, hier und hier). Zwar wurde der zweite
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... ng -also die Stichwahl -als obligatorische Briefwahl durchgeführt. Dafür hatte der bayerische Gesetzgeber aber eine eigene Grundlage im Gemeindewahlgesetz geschaffen (Art. 60a GLkrWG). In Sachsen-Anhalt wurde am 6. Juni 2021 ein neuer Landtag gewählt. Auch diese Wahl wurde als reine Briefwahl durchgeführt. Eine entsprechende Änderung des Wahlgesetzes des Landes Sachsen-Anhalt hatte das Landesverfassungsgericht Sachsen-Anhalt mit Entscheidung vom 3.5.2021 (LVG 5/21) für mit der Landesverfassung vereinbar erklärt. Auch hier stellte sich die Frage nach dem Verhältnis von Pandemie-und Wahlrecht noch nicht in aller Schärfe, da die Anordnung der obligatorischen Briefwahl nicht auf der Basis des Infektionsschutzrechts erfolgte, sondern im Wahlrecht selbst verankert wurde. Bei der am 26.9.2021 anstehenden Bundestagswahl tritt das Problem des Verhältnisses von Infektionsschutz-und Wahlrecht hingegen in aller Deutlichkeit zu Tage. Denn hier hat der für das Bundestagswahlrecht ausschließlich zuständige Bundesgesetzgeber (Art. 38 Abs. 3 GG) bislang keine pandemiebedingten Änderungen im Bundeswahlgesetz (BWahlG) vorgenommen. Auch in der die Details der Wahl regelnden Bundeswahlordnung (BWO) finden sich bisher (Stand 2.9.2021) keine Vorgaben für die Durchführung der Wahl unter Pandemiebedingungen. Lediglich für die Aufstellung von Wahlbewerbern war mit der "COVID-19-Wahlbewerberaufstellungsverordnung" vom 28.1.2021 (BGBl. I S. 115) eine auf die Pandemie zugeschnittene Rechtsverordnung erlassen worden. Auch das in der Pandemie mehrfach geänderte, mittlerweile kaum mehr lesbare Infektionsschutzgesetz (IfSG) enthält keine speziellen Vorgaben für die Durchführung der Bundestagswahl 2021. Dies bedeutet zunächst, dass diese Wahl nach den allgemeinen Regeln des BWahlG und der BWO durchgeführt werden muss. Die entscheidende Frage lautet, ob die Infektionsschutzverordnungen der Länder, die auf das IfSG gestützt sind, zusätzliche Vorgaben für die Durchführung der Wahl regeln dürfen. -1 -
doi:10.17176/20210902-171359-0
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