Möglichkeitsbeweis für die Tinität?
Raphael Schulte
2014
Das Ur-und Zentralgeheimnis unseres Glaubens ist das Geheimnis des dreieinigen Gottes. Allgemein ist die theologische Wissenschaft davon überzeugt, daß auf dieses Geheimnis der Begriff »Mysterium« im tiefsten und eigentlichsten Sinne angewandt werden muß. Wenn es »mysteria proprie dicta« gibt -und das lehrt die Kirche -, dann ist das Trinitätsgeheimnis unter ihnen das erste, aus dem heraus alle anderen sind. Auch ist man sich noch immer darin einig, daß gerade für dieses Geheimnis das Äußerste
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... nd Mindeste gilt (und nicht mehr), was anzusetzen ist, um nicht von einem Glauben wider die Vernunft (vgl. Rom 12,1 und Dz 1790) sprechen zu müssen: Jeder Einwand dagegen kann zumindest als nicht notwendig wahr erwiesen werden 1 ). Aus diesem Sachverhalt -grundlegende Wichtigkeit und tiefster Mysterium-Charakter des trinitarischen Glaubens -versteht sich, in welch hohem Maße durch die Jahrhunderte hin der Dreifaltigkeitsglaube das theologische Bemühen beschäftigt hat. Neben der Verteidigung der in der Offenbarung grundgelegten Wahrheit gab es immer wieder -menschlich voll verständlich -Versuche innerhalb der gläubigen Theologie, dem Geheimnischarakter nachzuspüren, einen Zugang zu finden, der dem suchenden Verstände größere Einsicht böte. Bei solchen Versuchen richtet sich das Augenmerk oft auf die Frage, ob man nicht wenigstens nach der Offenbarung die innere Möglichkeit der Dreifaltigkeitsaussage positiv erweisen könne. Bisher sind alle Bemühungen dieser Art gescheitert. Den jüngsten Versuch hat A. Menne in seinem Aufsatz »Mengenlehre und Trinität« 2 ) unternommen. Mathematische Überlegungen aus der Mengenlehre sieht er als geeignet an, »den Erweis der Möglichkeit der Trinität« zu erbringen 3 ). Ja, »über den Möglichkeitsbeweis hinaus (soll die) mengentheoretische Interpretation der Trinität. . . noch einiges (leisten), was andere (z.B. psychologische und biologische) Interpretationen nicht so gut zum Ausdruck bringen« 4 ). Eine Darlegung solcher Zielsetzung und solchen Ergebnisses darf ohne Zweifel auf ein waches Interesse, ja Aufhorchen der Theologen rechnen. Zum ersten Male in der Dogmengeschichte wäre es gelungen, den »Erweis für die Möglichkeit der Trinität« zu erbringen. Eine Stellungnahme zu diesen Überlegungen ist u. W. noch nicht erschienen. Es wäre schade, wenn die »Neuheit und Ungewohntheit und seine unanschauliche Abstraktheit« des vorgelegten »mengentheoretischen Trinitätsmodells« 5 ) dazu führen würden, sich nicht mit ihm zu befassen. Auf der anderen Seite ist es nicht ausgeschlossen, daß eben diese mathematischen Gedankengänge a priori eine *) Vgl. den Artikel »Dreifaltigkeit« in LThK, Bd. 3 ( 2 1959) 543-560, bes. 599, und die Literatur dort. 2 ) A. Menne, Mengenlehre und Trinität; Münchener Theologische Zeitschrift 8 (1957) 180-188. s ) Menne, 188; vgl. 182. 4 ) Menne, 187. ß ) Menne, 188. Möglichkeitsbeweis für die Trinität 193 Exaktheit und gar unantastbare Folgerichtigkeit vermuten lassen, gegenüber der Dogmatiker, solange sie »Nicht-Mathematiker« sind, kapitulieren 6 ). Wir möchten somit versuchen, zunächst dem vorgelegten Gedankengang nach-denkend zu folgen. Dabei werden notwendig methodologische Fragen auftauchen, die wir dann in einer weiteren Überlegung zu beantworten suchen. I. Das Bemühen Mennes zielt darauf, einen »Möglichkeitsbeweis für die Trinität zu liefern« 7 ). Ist das gelungen? Wir glauben: Nein. Die Gründe für das Mißlingen liegen zunächst auf dogmatischem Gebiet. Die Darlegungen zeugen von intensiver Beschäftigung mit dem trinitarischen Geheimnis und dessen theologischer Durchdringung. Und doch vermißt man die bei genannter Zielsetzung unabdingbare Präzision in der Formulierung des Mysteriums der Dreifaltigkeit. Soll nämlich ein echter Erweis der Möglichkeit dessen erbracht werden, was der Inhalt des trinitarischen Geheimnisses besagt, so muß dieser in der Exaktheit gesehen und ausgesprochen werden, wie diese doch durch ein Jahrhunderte währendes theologisches Bemühen schon gewonnen ist. M. sagt: »Das Trinitätsdogma behauptet, daß es nur einen Gott gibt, und daß es drei Personen gibt, von denen jede in gleicher Weise voll und ganz Gott ist« 8 ), und später ähnlich: »In dem einen Gott sind drei Personen; jede Person ist voll und ganz Gott; die drei Personen zusammen ergeben(!) nur einen Gott« 9 ). In solchen Formulierungen liegen, falls sie keine weitere Präzision erfahren, allerlei Mißdeutungen und Mißverständnisse verborgen, und folglich ist von vorneherein die Gefahr zu Fehlschlüssen gegeben. Das sieht jeder sofort ein, der weiß, mit welcher Behutsamkeit die Aussagen über die Dreifaltigkeit allenthalben in der theologischen Wissenschaft formuliert werden. Das trinitarische Geheimnis besagt zunächst 10 ): Deus unus in essentia, trinus in personis: Pater, Filius et Spiritus Sanctus 11 ). In Gott ist also Einheit des Wesens, der Natur anzusetzen, wobei das Entscheidende die numerische Einheit dem Wesen nach ist. Nicht nur die spezifische Wesenseinheit -wie wir Menschen z.B. untereinander spezifisch wesenseins sind -, sondern die numerische Wesenseinheit (essentia re et numero una 12 )) ist vom göttlichen Wesen auszusagen. Dabei ist noch besonders darauf hinzuweisen, daß es sich hier um die konkrete, individuelle Substanz handelt, individuell bei Gott sogar in einem absoluten Sinne. Auf der anderen Seite ist zugleich, was die göttlichen Personen 6 ) Es kann sein, daß man diesem wie jedem neuerlichen Versuch eines Möglichkeitsbeweises für die Trinität grundsätzlich skeptisch gegenübersteht und ein Eingehen darauf einfach für überflüssig erklärt. Eine Rücksprache mit mehreren dozierenden Dogmatikern ließ uns jedoch erkennen, daß gerade die von Menne dargebotenen mathematischen Überlegungen manchem eine echte Stellungnahme zu seinem Ergebnis verwehren. Wir glauben deshalb, den mit mathematischen und logistischen Gedankengängen weniger vertrauten Theologen einen kleinen Dienst erweisen zu können, wenn wir (in einer auch für Nicht-Mathematiker verständlichen Redeweise) zu den Darlegungen Mennes Stellung nehmen. 7 ) Menne, 182; vgl. 187-188. 3 ) Menne, 183. 9 ) Menne, 186. 10) können naturgemäß nur das Wesentlichste herausstellen, wie es für die hier zu durchdenkenden Überlegungen als Mindestmaß gefordert ist. ") Vgl. Concilium Vaticanum: Coli. Lac. VII, 553f u. 513f. 12 ) Vgl. Conc. Vat. (vorige Anm.).
doi:10.5282/mthz/1120
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