Fahrtauglich mit einem PaCO2 von 23 kPa?

M HagmannStraubhaar, T Hess, PE Ballmer, M Jäggi, A Haller
2006 Swiss Medical Forum = Schweizerisches Medizin-Forum  
Einleitung Autofahren bedeutet die Fähigkeit des Fahrers, sich im Strassenverkehr zurechtzufinden, sich anzupassen und rechtzeitig zu reagieren, um sich und andere keiner Gefahr auszusetzen. Für junge Leute ist dies fast eine Selbstverständlichkeit, so dass bei blander medizinischer Vorgeschichte nur Visus und Gesichtsfeld in der Fahrtauglichkeitsprüfung untersucht werden. Bei über 70jährigen Fahrern treten häufig Krankheiten auf, welche die Fahrtauglichkeit beeinträchtigen können.
more » ... ng Am 3. 1. 2005 erlitt Frau B., geboren 1934, einen Autounfall. Die Patientin wurde von der Ambulanz mit einem GCS von 8 in den Schockraum gebracht. Bei Nachweis eines PaCO2 von 23 kPa (Referenzwert 4,8-6 kPa) wurde die Patientin intubiert. Die Abklärungen mittels Computertomographie (Schädel, Halswirbelsäule, Thorax und Abdomen) zeigten keine Hinweise für Verletzungen. Die Patientin wurde ins Zentrum für Intensivmedizin verlegt. Nach üblichem Weaning und Extubation zeigte die wache Patientin unter 2 Liter Sauerstoff eine Blutgasanalyse mit einem PaCO2 von 12,3 kPa, PaO2 12,8 kPa, SaO2 95% und pH 7,12. Unter Sauerstofftherapie über einen SCOOP-Transtrachealkatheter besteht bei der langjährig bekannten COPD-Patientin üblicherweise ein PaCO2 um 7 kPa bei normalem PaO2. Aufgrund des Polizeirapportes und fehlender Verletzungen ist davon auszugehen, dass die Patientin im Rahmen ihrer Hyperkapnie die Kontrolle über ihren Wagen verlor und einen Selbstunfall verursachte. Frau B. leidet seit Jahren an einem schweren alveolären Hypoventilationssyndrom bei COPD und restriktiver Ventilationsstörung bei Status nach Radionekrose (Bestrahlung eines Mammakarzinoms links) der Thoraxwand mit plastischer Rekonstruktion. Sie steht unter Langzeitsauerstofftherapie über einen SCOOP-Katheter sowie unter nächtlicher nicht invasiver Beatmung über eine Gesichtsmaske. In der Vergangenheit waren wiederholt schwere hyperkapnische respiratorische Dekompensationen aufgetreten. Sie ist in regelmässiger pneumologischer Kontrolle und ihre Fahrtauglichkeit wurde ebenfalls durch das zuständige Institut für Rechtsmedizin regelmässig überprüft. Diskussion Betreffend Fahrtauglichkeit im Alter müssen sich, laut Gesetz, über 70jährige Patienten alle 2 Jahre einer medizinischen Untersuchung unterziehen, wobei die kognitiven, auditiven, visuellen und neuropsychologischen Fähigkeiten überprüft werden [1]. In der Verkehrszulassungsverordnung [2] wird ebenfalls als medizinische Mindestanforderung das Fehlen von periodischen Bewusstseinstrübungen oder -verlusten verlangt. Wie in der untenstehenden Tabelle 1 p aufgeführt, gelten im Alltag als klar «nicht fahrtauglich» Patienten mit aktiver Epilepsie [3], Diplopie sowie gehörlose einäugige Patienten. Im Gegensatz dazu wird bei Patienten mit Einäugigkeit oder einseitiger Erblindung (Visus des gesunden Auges mindestens 0,8, korrigiert oder nicht korrigiert, sowie minimale Wartefrist von 4 Monaten bei einseitiger Erblindung) volle Fahrtauglichkeit erteilt. Im Falle einer fraglichen Fahrtauglichkeit, wie zum Beispiel nach zerebrovaskulärem Insult, wird je nach Situation mit dem Facharzt Rücksprache genommen oder sogar mit den kantonalen Behörden. Auf jeden Fall darf das Erteilen der Fahrtauglichkeit nicht erfolgen, wenn körperliche oder geistige Krankheiten vorhanden sind, die das sichere Führen eines Motorfahrzeuges gefährden [4]. In der Literatur wird über gehäufte Autounfälle im Rahmen folgender Krankheiten berichtet: Demenz, Diabetes mellitus und kardiovaskuläre Erkrankungen. Ebenfalls nicht zu vergessen sind Medikamente, wie z.B. Benzodiazepine, Angiotensin-Converting-Enzym-Hemmer und orale Antikoagulantien. Gewisse Krankheiten wurden be-Summary Fit to drive with a PaCO 2 of 23 kPa? We report the case of a 70-year-old woman referred to our hospital after a selfinduced car accident due to carbonarcosis. On arrival the patient had a GCS 8 and a PaCO2 of 23 kPa (normal 4.8-6 kPa) requiring intubation and mechanical ventilation. CT scan showed no evidence of injury. The patient had a documented history of severe alveolar hypoventilation due to COPD and a restrictive syndrome following radionecrosis of the thoracic cage (breast cancer). She had been on home oxygen therapy via a SCOOP transtracheal catheter for several years and treated by non-invasive nocturnal positive pressure ventilation. This case report affords an opportunity to recall existing law and the diseases most usually associated with car accidents. It also provides a reminder of the procedure a physician should follow when faced with the question "is my patient fit to drive?"
doi:10.4414/smf.2006.05984 fatcat:aqxzuz7utra2jg4swy2rtsyb5q