»Die Frauenfrage ist eine Frage von Übermorgen«
Beate Schönfeldt
1990
Feministische Studien
Regisseurinnen in der DDR und ihre Filme Wie in allen anderen sozialistischen Ländern auch, arbeiten Regisseurinnen in der DDR nicht auf der Basis eines ausformulierten Programms oder gar theoretischen Konzepts, das sich auf eine Frauenbewegung bezöge. Es gibt keine feministische Tradition. Das ist ein wesentlicher Unterschied zu den filmemachenden Frauen in westeuropäischen Ländern. Mit der generellen Erklärung der Gleichberechtigung der Frauen in der sozialistischen Gesellschaft der DDR, d.h.
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... ihrer ökonomischen und rechtlichen Gleichstellung zum Mann, schien es von Anfang an keine Notwendigkeit für alternatives Denken aus der Perspektive von Frauen zu geben. Das Verhältnis der Regisseurinnen zum Medium Film ist deshalb ein anderes als in westlichen Ländern. Sie nutzen und benutzen Film nicht bewußt als Mittel alternativer politischer Auseinandersetzung mit der Gesellschaft, sondern sie sind integriert in die Aufgabenstellung der nationalen Filmproduktion, die sich bisher aus der Kulturpolitik des Staates und der SED in der DDR ergab. Ihr Blickwinkel auf die Gesellschaft ist deshalb ein anderer, jedenfalls kein ausdrücklich frauenspezifischer. Dennoch läßt sich eine Entwicklung des Bewußtseins von filmemachenden Frauen ablesen. Sie kann an Generationsunterschieden deutlich gemacht werden: Die älteste noch tätige Regisseurin, Annelie Thorndike z.B., ist zum Dokumentarfilm gekommen, weil sie Andrew Thomdike kennenlernte und sich aus einer Liebesbeziehung und Ehe auch produktives Arbeiten ergab. Aus der Neulehrerin wurde eine mit Verantwortung beauftragte Dokumentaristin. Gemeinsam mit Andrew Thomdike hat sie für die Entwicklung des propagandistischen, vorwiegend aufklärenden und belehrenden Dokumentarfilms in der DDR solche wichtigen Filme realisiert wie: »Du und mancher Kamerad«, »Unternehmen Teutonenschwert« und »Das russische Wunder«. Die Thorndikes waren in den 50er, 60er und noch 70er Jahren eine ideologiebildende Institution in der DDR. Ahnlich zufällig, vermittelt durch den ebenfalls bekannten Dokumentaristen Karl Gass, begann für Gitta Nickel das Filmemachen. Sie hat sich allerdings später von dessen Einfluß befreit und eine Vielzahl eigener Filme gemacht. (Wenn ich auf sie in dieser Arbeit nicht mehr eingehe, dann begründe ich das damit, daß die jüngeren Regisseurinnen für die Darstellung der Herausbildung frauenspezifischer Aspekte beim Filmemachen interessanter und charak-
doi:10.1515/fs-1990-0106
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