Die neuen Mediengesetze in Ungarn – Gábor Polyák Kritische Betrachtung von Normen und Praxis

Krisztina Nagy, Gábor Polyák
2011 osteuropa recht  
Die neuen Mediengesetze in Ungarn -Kritische Betrachtung von Normen und Praxis Die neuen ungarischen Mediengesetze haben unerwartet große internationale Aufmerksamkeit erregt. Zahlreiche politische, aber auch fachliche Kritiken wurden nicht nur in Ungarn, sondern auch in Europa und weltweit veröffentlicht. In dem Beitrag werden die wichtigsten Elemente der Regelung dargestellt; ausführlich wird die Unabhängigkeit der Medienbehörde -und damit der umstrittenste Teil der Reform -behandelt. Die
more » ... tellung kann und will dabei nicht immer objektiv sein; immer wieder sollen auch subjektive Meinungen wiedergespiegelt werden. Die Reformbedürftigkeit des ungarischen Rundfunkgesetzes von 1996 war unbestritten. Dieses Gesetz konnte der technischen und wirtschaftlichen Entwicklung nicht folgen; stattdessen wurde es zum größten Hindernis für diejenigen, die von den neuen Möglichkeiten Gebrauch machen wollten. Es hat dem ungarischen Medienmarkt großen Schaden zugefügt: Das Rundfunkgesetz und seine Umsetzung waren die wichtigsten Gründe für die Abwanderung ungarischer Fernsehveranstalter in andere EU-Staaten. Wichtige Elemente der Norm wurden zudem vom Verfassungsgericht für verfassungswidrig befunden. Mit der Implementierung der neuen europäischen Richtlinie über die audiovisuellen Mediendienste war Ungarn in Verzug. Mangels politischen Konsenses war aber eine frühere Neuregelung nicht möglich. Nachdem die Regierungsparteien die Zweidrittelmehrheit erlangt hatten, begann im Sommer 2010 ein umfassender Gesetzgebungsprozess, der grundsätzlich das gesamte Medienrecht umgestaltet hat. Im November 2010 wurden das Gesetz Nr. CIV. über die Medienfreiheit und die grundsätzlichen Regeln der Medieninhalte sowie im Dezember 2010 das Gesetz Nr. CLXXXV. über die Mediendienste und die Massenkommunikation verabschiedet. 1 Die Gesetze sind seit dem 1. Januar 2011 in Kraft; Ausnahmen gelten für die Vorschriften, die verwaltungsrechtliche Sanktionen gegen Print-und Online-Medien ermöglichen; diese Bestimmungen sind erst am 1. Juli 2011 in Kraft getreten. I. Gesetzgebungsprozess und Aufnahme der neuen Regeln Die Gesetze wurden unter Ausschluss der Öffentlichkeit und nicht-transparenter Einbeziehung der größten wirtschaftlichen Interessengruppen vorbereitet. Diese Gesetze drohen einem unbegründet weiten Kreis von Medien scharfe Sanktionen an, die von einer Behörde verhängt werden, die ausschließlich aus Entsandten der größten Regierungspartei besteht und die über einen beispiellos weiten Ermittlungsspielraum verfügt. Der so zustande gebrachte Regulierungs-und Organisationsrahmen ist nicht geeignet, die Bedingungen für einen vielfältigen Privatrundfunk und einen unparteiischen und qualitativen öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu gewährleisten. Diese Bewertung ist zwar subjektiv, wird aber wohl von zahlreichen Experten und Organisationen im In-und Ausland geteilt. Die neue Regelung stellt einen enormen Rückschritt im Hinblick auf die Gewährleistung der Meinungs-und Medienfreiheit dar. Der 1 Der englische Text ist veröffentlicht unter http://www.mediatanacs.hu/oldal.php?menu_id=14.
doi:10.5771/0030-6444-2011-3-262 fatcat:jtrehvpv4rbcfnue4hui44hzt4