CAME-Toolsuite meet2trade - auf dem Weg zum Computer Aided Market Engineering. Abschlussbericht des Projekts Electronic Financial Brokerage als wissensintensive Dienstleistung - ein generischer Ansatz (EFB)
[book]
Christof Weinhardt, Clemens Van Dinther, Michael Grunenberg, Klaus Kolitz, Matthias Kunzelmann, Juho Mäkiö, Ilka Weber, Henning Weltzien
2006
Vorwort Die Innovationen und technischen Entwicklungen in der Informationstechnologie der letzten Dekaden, wie Internet, mobile Telefonie oder PDA, haben nicht nur neue Geschäftsfelder im E-Business ermöglicht, sondern auch maßgeblich die traditionellen Transmissionsprozesse im Wertpapierhandel beeinflusst. So werden nun klassische Prozesse wie das gesamte Depot-und Kontomanagement online abgewickelt oder der klassische Parketthandel zunehmend von elektronischen Handelssystemen abgelöst. Neue
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... schäftsfelder entstehen, z.B. Mobile Trading oder electronic-Brokerage. Diese Entwicklung bringt aber auch höhere Anforderungen bezüglich Sicherheit, Erweiterbarkeit, Datenaustausch und Kompatibilität an die Systeme mit sich. Die steigenden Bedürfnisse der Investoren hinsichtlich Sofortigkeit, Verfügbarkeit und bestmöglichen Ausführungspreis verstärken den Anspruch an die Systeme zusätzlich. Deregulierung und Internationalisierung der Finanzmärkte steigern den Wettbewerb und erhöhen damit den Innovationsdruck der Wertpapierbörsen. So stellt der Handel mit traditionellen Titeln bald nur noch eine Facette im Handelsgeschehen auf den Finanzmärkten dar. Die Anforderungen der Marktteilnehmer bezüglich Cross-Border Trading und Settlement, Handelsprodukten, Handelszeiten, Handelsregeln und -funktionalitäten, Marktmodellen und near-/real-time Informationsdiensten weiten sich aus. Auch nach dem Abklingen des "New-Economy"-Hypes ist der Nutzen von elektronischen Märkten zur Koordination von Angebot und Nachfrage unbestritten. Dies zeigt der Erfolg von elektronischen Marktplattformen im Bereich der Finanz-aber auch Konsumgüter-Branche, wie z.B. Instinet © , Eurex © oder eBay © . Das Risiko, bei der (zu) schnellen Entwicklung und Einführung eines elektronischen Marktplatzes durch Trial and Error einen Flop zu landen und die hohen Investitionen in den Sand zu setzen, ist jedoch sehr groß. Aus diesem Grund ist es für die Forschung eine Herausforderung, neue Konzepte zu entwickeln, mit denen der Erfolg des Services "e-Markt" soweit wie möglich planbar gemacht und methodisch unterstützt werden kann. Denn der Bedarf an innovativ gestalteten Lösungen, die den individuellen Anforderungen von Marktteilnehmern gerecht werden, ist mehr denn je gegeben -ihn möglichst gut zu erfüllen ist kritischer Faktor für den Erfolg der hier betrachteten Plattformen. Das Forschungsprojekt EFB (Electronic Financial Brokerage) wurde am Institut für Informationswirtschaft und -management an der Universität Karlsruhe (TH) durchgeführt und vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert , sowie von den Projektpartnern boerse-stuttgart AG, Reuters AG und trading fair AG unterstützt. Im Rahmen des Projekts Forschungsprojekts EFB wurden Fragestellungen des Erfolgs elektronischer Märkte untersucht und innovative Ideen zum "Engineering" neuer elektronischer Marktplattformen entwickelt und realisert. Beim "Market Engineering" handelt es sich um einen interdisziplinären Ansatz auf Basis ökonomischer, informationstechnischer und rechtlicher Erkenntnisse für das strukturierte, systematische und theoretisch fundierte Vorgehen zur Analyse, Gestaltung, Qualitätssicherung und Weiterentwicklung elektronischer Märkte. Dass eine strukturierte Vorgehensweise bei der Gestaltung und Implementierung elektronischer Märkte nicht nur sinnvoll, sondern auch notwendig ist, zeigen die Fehlentwicklungen der letzten Jahre Das Projekt EFB wurde Ende September 2005 erfolgreich abgeschlossen. Im Zentrum des Projekts stand die Entwicklung der Market Engineering Toolsuite meet2trade sowie die Nutzung dieser Toolsuite zur Beantwortung ökonomischer Fragestellungen rund um das Design von elektronischen Märkten und deren Qualität. Neben dem eigentlichen Client-Server basierten Handelssystem als Systemkern wurden innovative Zusatzfunktionalitäten integriert. Diese ermöglichen die einfache und schnelle Erstellung von Märkten mittels einer grafischen Oberfläche (Market Modelling Language MML) und die anschließende Untersuchung dieser Märkte mit Hilfe von Simulationen und Laborexperimenten (Simulationsumgebung AMASE, Experimentalsystem MES). Neben der Erstellung von meet2trade wurde diese Toolsuite im Rahmen des EFB Projektes auch zur Gestaltung und Evaluierung verschiedener Handelsfunktionen und -verhaltens genutzt. Dies beinhaltet beispielsweise Fragen, wie sich das Entscheidungsverhalten der Marktteilnehmer und der Erlös eines Verkäufers in einer einseitigen Auktion durch die Einführung von Erstbieterrabatten verändert. oder wie sich die Verfügbarkeit von innovativen Ordertypen (wie z.B. Relative oder Discretionary Orders) oder einer Bundle Trading-Funktionalität auf die Marktqualität auswirken, um nur einige der untersuchten Fragen zu nennen. Am Institut für Informationswirtschaft und -management wird auch über das Projekt hinausgehend intensiv an der wissenschaftlich fundierten Vorgehensweise bei der Gestaltung elektronischer Märkte unter dem Begriff "Market Engineering" gearbeitet. So wird u.a. die im Projekt erarbeitete Handelsplattform meet2trade in diversen Projekten des Instituts eingesetzt, z.B. als Teil der Prognosebörse STOCCER für die FIFA Fußballweltmeisterschaft 2006, oder als Plattform für den simulierten Handel von Energiekontrakten und CO 2 -Zertifikaten im Projekt Power ACE. Besonders erfreulich ist das große Interesse auch auf internationaler Ebene: So arbeiten Forschergruppen in Canada (Montreal) und Australien (Sydney) mit meet2trade, um ihrerseits Markt-Experimente und -Simulationen durchzuführen. Erklärtes Ziel ist die gemeinsame Weiterentwicklung der Plattform für einen breiteren Anwendungskontext.
doi:10.5445/ksp/1000004728
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