Clemens Wilmenrod. Zeichen von Esskultur [article]

Gerd Hallenberger, Mediarep, Philipps Universität Marburg
2001
Einem gerne zitierten Bonmot zufolge, das Steve Martin zugeschrieben wird und bei Jean-Martin Büttner (1997, 13) nachzulesen ist, bedeutet über Musik zu reden dasselbe wie über Architektur zu tanzen: Es muss misslingen, wenngleich die Resultate durchaus spaßig sein können. Vergleichbares gilt, sofern es primärer Programminhalt ist, für das Kochen im Fernsehen. Im Fernsehen wird gelegentlich gekocht, häufiger hingegen gegessen und getrunken, und falls einmal die Zubereitung von Nahrungsmitteln
more » ... zeigt wird, so fällt dies oft gar nicht auf, weil entweder in einem Prominenten-Feature, das die "private Seite" eines Medien-Stars zeigen soll, diese Person am heimischen Herd nur vorführt, dass ihr derartige Tätigkeiten nicht fremd sind, oder weil in einem fiktionalen Kontext lediglich der situative Rahmen für ein ernstes Gespräch konstruiert worden ist -Kochgespräche sind wichtige Gespräche, hier werden Geständnisse gemacht und Geheimnisse offenbart. In beiden Fällen ist es vollkommen irrelevant, was gekocht wird, welche Zutaten dabei verwendet werden und wie mit ihnen umgegangen wird. Wenn das Kochen allerdings selbst zentraler Inhalt einer Fernsehsendung wird, stößt das Medium an unüberwindbare Grenzen, die umso deutlicher erfahren werden, weil allen Zuschauern der Vorgang des Kochens vertraut ist. Abgesehen davon, dass das Hantieren mit Kochgerät und Zutaten nur demonstriert wird, gibt es nichts zu riechen und nichts zu schmecken -und nach Abschluss des Kochens auch nichts zu essen. Fernsehen und Kochen passen schlecht zusammen, weshalb Elke Wittich in einem Beitrag für die Jungle World konsequenterweise zu einem vernichtenden Fazit gelangt: "Neben Fernseh-Skat und Andrea Nahles-Interviews gehört das abgefilmte Nahrungsmittel-Zubereiten zu den Gipfelpunkten televisionärer Ödnis" (Wittich 1997) . Dennoch gab und gibt es Kochsendungen in großer Zahl (zum aktuellen Angebot vgl. Grimberg 2000). Bei näherem Hinsehen lassen sich einige derzeit besonders populäre Varianten ausschließen, da andere Themen und Darstellungsformen wichtig sind. Das vorabendliche Kochduell auf VOX gibt sich zum Beispiel als Spielshow, und Alfred Bioleks Alfredissimo! bedient sich der aus fiktionalen Kontexten vertrauten Konnotation von "Kochen" und "Intimität", um eine televisionäre Nähe zum prominenten Star-Gast und zu Alfred Biolek
doi:10.25969/mediarep/112 fatcat:fzhga6pcg5egrlcoxvkexjay3m