Bemerkungen zur Pfalzenforschung am Mittelrhein

Peter Classen, Vorträge Und Forschungen
2014
Als Wilhelm Berges in seinen Seminarübungen einzelne Pfalzen behandelte und im Anschluß an die dabei gewonnenen Erfahrungen eine umfassende Bearbeitung der Königs pfalzen anregte, wurden als Beispiele für die zunächst auszuarbeitenden Entwürfe mittel und norddeutsche Pfalzen gewählt, die wohl zum Teil auf karolingische Keimzellen zurückgehen, aber doch alle erst in der Ottonen und Salierzeit zu Königspfalzen aufstiegen und nur zu einem kleinen Teil ihren Rang bis in die Stauferzeit bewahren
more » ... ten. Es liegt darum nahe, zu fragen, ob jene Pläne sich auch für diejenigen Pfalzen eignen, die auf altem römischen Kulturboden am Rhein entstanden, in der fränkischen Zeit schon zu Zentren königlicher Waltung wurden und durch das ganze Hochmittelalter, z. T. bis über die Stauferzeit hinaus, vom Königtum behauptet werden konnten. Die Frage läßt sich definitiv erst beantworten, wenn Probearbeiten über rheinische Pfalzen, etwa Worms oder Ingelheim, abgeschlossen vorliegen. Hier sollen vorläufig nur einzelne Beobachtungen mitgeteilt werden, die sich aus der Untersuchung einzelner Pfalzen nach den Gesichtspunkten, die der Arbeitsplan des MaxPlanckInstituts nennt, ergeben haben. Sie knüpfen an ein Seminar an, das der Verfasser im Wintersemester 1958/ 59 in Mainz gehalten hat und in dem vor allem die Pfalzen Worms, Speyer, Ingelheim und Oppenheim behandelt wurden. ]) /. Karolingische Winterpfalzen Bei den Untersuchungen der Königsitinerare, die ein Rückgrat der Pfalzenforschung bilden, hat man die rein statistische Methode, das Zählen der Königsaufenthalte an einem Orte, oft als unbefriedigend empfunden, weil die Belege zufällig sind, vor allem aber weil sich nur selten die Dauer eines Aufenthaltes erfassen läßt. Hier sind wir aber für die karolingische Zeit in der Lage, wenigstens bestimmte Aufenthalte genauer zu wägen und 1) Unter den Beiträgen der Seminarmitglieder sei die überaus fleißige und materialreiche Arbeit von Fräulein cand. phil. INGEBORG HENKE über Worms und Neuhausen hervorgehoben, die mir die Stoffsammlung für die folgenden Bemerkungen wesentlich erleichterte. EM ERRUNGEN ZUR PFALZENFORSCHUNG AM MITTELRHEIN [75/76] eine besondere Funktion einiger Pfalzen zu erfassen, die bisher fast ganz unbeachtet blieb, die Funktion als Winteraufenthalt oder »Winterpfalz«. Der sog. Astronomus berichtet im ersten, auf den Mönch Adhemar zurückgehenden und die aquitanische Regierung behandelnden Teil seiner Vita Ludwigs des Frommen, der junge König habe, dem Befehl seines Vaters gehorchend, das Königsgut in Aquitanien revindiziert und dabei seine besondere Klugheit bewiesen: Nam ordinavit qualiter in quatuor locis hiberna transigeret, ut tribus annis exactis quarto demum anno hiematurum se quisque eorum susciperet locus, Theotuacum scilicet palatium, Cassinogilum, Andiacum et Eurogilum. Quae loca quando quartum redigebatur ad annum, sufficientem regio servitio exhibebant expensam. 2 ^ Die Stelle, die einst A. Dopsch als wichtiges Argument für die aquitanische Lokalisierung des Capitulare de villis heranzog, 3 -1 sagt zweierlei: Bestimmte Pfalzen Aquitaniens erhielten die besondere Funktion, abwechselnd in einem regelmäßigen Turnus den König für die Wintermonate zu beherbergen, und um die Voraussetzungen hierfür zu schaffen, war es notwendig, diese Pfalzen in angemessener Weise mit Königsgut oder bei der Pfalz abzuliefernden Abgaben auszustatten. Die Quellen über Ludwigs aquitanische Regierung sind so spärlich, daß wir nur für eine der genannten Pfalzen, für Doue (Dep. Maine et Loire), einen Aufenthalt und eine Reichsversammlung des Königs im Winter 813/14 feststellen können. 4) Da aber nach der Behauptung des Astronomus Karl der Große selbst die Anregung für die Revindikation des Reichsgutes gegeben hatte und angeblich sogar eine Maßnahme des Sohnes, den Erlaß des fodrum, selbst nachahmte, wird man gleich auf die Frage geführt, ob Karl selbst und die übrigen Herrscher seines Geschlechtes auch Winterpfalzen der genannten Art gekannt haben, die sich mit Hilfe der Urkunden und der Annalen, die regelmäßig Weihnachts-und Osteraufenthalt nennen, sicherer erkennen lassen. 5 ) Schon der Fortsetzer Fredegars schließt seine Jahresberichte über die Taten Pippins des Jüngeren und Karlmanns des Älteren immer wieder mit stereotypen Wendungen etwa der Art cum magno triumpho in Frantia ad propria sede feliciter remeavit oder ähnlich. Den Feldzügen des Sommers steht das Winterquartier in Frantia ad propria sede gegenüber, und wenigstens für einige Jahre können wir diese Quartiere nennen. Pippin wechselte in den Wintern 753/54 und 759/60 seinen Aufenthaltsort und benutzte die beiden letzten Winter seiner Regierung sogar zu Feldzügen gegen Aquitanien, aber eine Reihe bestimmter
doi:10.11588/vuf.1983.0.16180 fatcat:nkxn36qz3jfszktrsry2aobbpm