Kriegserfahrungen in der Preisprüfungsstelle des Wumba
Paul Galewsky
1920
Angewandte Chemie
Galewsky : Kriegserfahrungen in der Preispriifungsstelle des Wumba angewandte Chemie befindet, die aus einer durchlocherten Metallschcibc besteht. Werden die Elektroden mit den Polen eines Induktors verbunden, so besteht auBer den negativen Kathodenstrahlen noch eine positive Strahlung, welche ihren Ausgangspunkt im Raum zwischen beiden Elektroden hat, geradlinig durch die Locher der Kathode dringt und am besten hinter dieser beobachtet werden kann. Bringt man z. B. in diesen Rauni einen Schirm
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... von Zinksulfit, so leuchtet er an jeder Stelle, ttuf die ein Kanalstrahl fallt. Fiir uns besteht das Wichtigstc in clieser. Erscheinung darin, daD nach den neuesten Untersuchungen auch dieses Leuchten, gerade wie bei den a-Strahlen, kein konstantes, kontinuierliches ist, sondern sich in einzelne Lichtblitze, in "Scintillationen" auflost. Die Kanalstrahlen bestehen also, gerade wie die a-Strahlen, aus schnell bewegten Korpuskeln. I m elektrischen oder magnetischen Felde werden sie zum Teil genau so abgelenkt wie die Teilchen der a-Strahlen, woraus zu ersehen ist, daB die Massc cler Teilchen im Helium-Kanalstrahlenrohr genau dieselbe ist wie diejenige der a-Teilchen. Die Heliumteilchen der Kanalstrahlen sind also ident.isch mit den cr-Teilchen. Der erste Einwand gegen die a-Strahlenmethode ist damit beseitigt. D i e H e 1 i u m t e i 1c h e n s i n d n i c h t n u r P r o d u k t e d e r r a d i o a k t i v e n E l e m e n t e , s o n d e r n t r e t e n a u c h i n e i n e m R o h r a u f , w e l c h e s g e w o h n l i c h e s H e l i u m g a s e n t h a l t . Die Ablenkungen der Kanalstrahlen im Magnetfelde zeigen, da13 die Kanalstrahlenteilchen fortwilhrend ihre elektrischen Ladungen andern. Daher gibt es zu jeder Zeit Teilchen rnit positiven Ladungen, wie die a-Teilchen, solche mit negativen Ladungen und schliefilich auch ganz neutrale Teilchen, dic gar nicht abgelenkt werden. Auch der zweite Einwand, der gegen die a-Strahlenmethodc bestand, ist hier hinfallig. D i e d i s k r e t e n H e 1 i u m t e i l c h e n e x i s t i e r e n n i c h t n u r i m e l e k t r i s c h g e l a d e n e n Z u s t a n d , s o n d e r n a u c h e l e k t r i s c h n e u t r a l . Der unabgelenkte Helium-Kanalstrahl ist nichts anderes als ein sehr schnell bewegter Stroni von Heliumgas, der sich beini Auftreffen auf einen Zinksulfitschirm als ein aus gleichen Partikeln bestehender Schwarm erweist. H i e r in i t s G h e i n t m i r w o h 1 e i n e x a k t e r B e w e i s e r b r a c h t z u s e i n , da13 d a s H e l i u m a u s d i s k r e t e n T e i l c h e n a u f g e b a u t i s t , d i e w i r A t o m e n c n n e n k o n n e n u n d d a B d i e s e A t o i n e r e a l e G e g e n s t a n d e d e r N a t u r s i n d . Wir konnen aber Kanalstrahlen durchaus nicht nur in Helium crzeugen, sondern in allen Gasen und Dampfen. Nehmen wir an, woran wohl kaum zu zweifeln ist, daB in allen Fallen auch die Scintillationen zu beobachten sind, so ist damit auch die Existenz der Atome und Molekeln aller Elemente und chemischen Verbindungen zuniichst im Gas-oder Dampfzustande nachgewiesen. Nachdem das festgestellt ist, kann aber auch Ieicht nachgewiesen werden, daB dieselben Teilchen auch in Fliissigkeiten und festen Stoffen vorhanden sind. Ich brauche hier nur auf die L a u e s c h e n Bilder der Krystalle hinzuweisen. Zum SchluB mussen wir aber doch noch einen Einwand zur Sprache bringen, der gegen den Kanalstrahlenbeweis erhoben werden konnte. Man konnte, analog dem Einwand bei den n-Strahlen, sagen, daB nur die besonderen Bedingungen, unter denen das Gas im Kanalstrahl steht, eine zeitweilige atomistische Struktur hervorgebracht habe, die unter anderen Bedingungen wieder einem Kontinuum Plate macht. Das Gas miiBte dann bei der Entstehung des Kanalstrahls aus dem kontinuierlichen in den atomistischen Zustand iibergehen und umgekehrt, nachdem es als Kanalstrahl existiert hat, wieder eine kont,inuierliche Struktur annehmen. Diese hochst willkiirliche Hypothese wird nun dadurch ganz unmoglich gemacht, da13 derartige Umwandlungen, in denen Atomc entstehen und vergehen, nach allen Erfahrungen der Physik und Chemie von gewaltigen Energieumsatzen begleitet sein muBten: I n Wahrheit ist von derartigen Energieumsetzen nichts wahrzunehmen, und jedenfalls konnen sie nicht groB sein. Um den Einwand noch aufrecht zu erhalten, miiBte angenommen werden, daB ohne jede wahrnehmbare Begleiterscheinungen insbesondere ohne Energieumsatz die Gase aus dem kontinuierlichen in den atomistischen Zustand iibergehen konnen und umgekehrt. Kein Physiker oder Chemiker wird einer solchen Theorie eine Daseinsherechtigung zusprechen, vollends wenn man beachtet, daB sie nur d a m dienen sol], um eine an sich scbon sehr unwahrscheinliche Hypothese aufrecht zu erhalten. Wir konnen daher sagen, daB auch dieser letzte Einwand beseitigt ist, und behaupten: H i t H i l f e d e r K a n a I s t r a h l e n i s t e i n e x a k t e r B e w e i s f u r d i e E x i s t e n z d e r A t o n i e u n d M o 1 e k e I n e r b r a c h t. Dieselbe Beweiskraft enthalten aber auch die im Wesen gleirhen Anodenstrahlen und die Rutherford'schen Atomstrahlen. Z u r D e f i n i t i o n d e s A t o m b e g r i f f s . Nachdem wir glauben, die Existenz der Atome exakt bewiesen zu haben, bleibt uns noch ubrig, den Inhalt des Atombegriffs naher zu umreiDen. Schon am Anfang unserer Untersuchung sahen wir, daD der D e m o k r i t sche Atombegriff, als schlechthin unteilbares und einfaches Ding, nicht aufrecht zu erhalten ist. Wir setzten a n die Stelle den D a 1 t o n schen Atombegriff, als Teilchen, welche bei den mechanischen und chemischen Vorgangen ungeteilt und unveriinderlich fortbestehen. 1st nun mit dem Beweis der Existenz der Atome auch bewiesen, daB sie stets ungeteilt und unverandert fortbestehen? Das ist offenbar gar nicht der Fall. Eine Annahnie, daB die Atome auch in den chemischen Verbindungen, also in den Molekeln unverandert fortbestehen, ist nicht nur nicht bewiesm, sondern nach unseren heutigen Anschauuligeri von dcr Struktur ckr Atome direkt falsch. Nach diesen besteht das Atom &us einem Icern, der von einer Wolkc oder einem Planeteiisystcrn von Elektronen umgeben ist. Bei der Bildung der Gasionen, wie z. B. in den Kanalstrahlen, nehmen die Atome Klektronen auf und geben sie Elektronen ab. Elektronen werden unter den Atomen ausgetauscht, wenn sic sich zu Molekeln vereinigen inid ebenso werden Elektronen abgegeben und aufgenommen bei Lichtabsorption und bei Lichtemission. Die Atome andcrn daher fortwahrend den Bestand ihrer Elektroncn und damit Masse, Gewicht und GroOe. Ein Atom von heute ist nicht mehr das gleiche Atom, welches es gestern war. Der D a 1 t o 11sche Atombegriff diirfte daher nicht auf das Atom, sonclern nur auf den Atomkern bezogen werden, oder wir diirften das Atom nicht unveranderlich und unteilbar nennen. Auf den Kern kann aber auch nur der D a 1 t o n sche und nicht der D e in o k r i t sche Atombegriff angewandt werden, da auch der Kern sicher ein kompliziertes Gebilde ist und bei den radioaktiven Vorgangen oder bei der Spaltung des Stickstoffatoms durch den Anprall der a-Teilchen sich nicht als unteilbar erweist. Gcrade niit den neuereii Erkenntnissen uber die chemischen Elemcnte und die Atonic erlebt die Definition dieses Begriffs eine Krise: Die alten Definitionen sind nicht haltbar und noch ist es nicht inoglich, neue Definitionen an die Stellc zu setzen, welche auch nur den Anspruch auf dauernde Geltuiig erheben konnen. D i e E l e k t r o n e n . In aller Kurze will ich iiur die Frage dcr Existrnz der Elektronen beriihrcn. Besonders, wenn man dic Existenz der Atomc fur bewiesen halt, ist auch an dcr Existenz der Elelttroiieri kaum ein Zweifcl moglich. Und doch ergeben sich beini Versuch, ilirc Existenz ebenso streng zu beweisen, wie wir es eben fur dic Atome get,an haben, weit groBere Schwierigkeiten. Die Kathodenstrahlcn, welclie geniaB der heute herrschenden Anschauung aus ausgeschleuderten Elektronen bestehen, geben uns nicht dieselbe Moglichkeit wie dic Kanalstrahlen, weil es nicht gegluckt ist, von den Kathodenstrahlen Scintillationen zu erhalten. Das ist auch kein Gegenbeweis, denn a.uch bei der Existenz der Elektronen in1 KathodenstrahI ist deren Energic durch ihre kleinere Masse so vie1 kleiner als die Energie dcr Teilchen eines a-oder Kanalstrahls, daB sie fur uns wahrnehmbare Scintillationen nicht erzeugen konnen. An die Stellc dcr Scintillationen konnte die Kondensation voii iibersattigtem Wasserdampf an den Elektronen oder Gasionen treten. Aber auch hier ist es schwieriger, die logische Kette zu schlieBen. Und selbst, wenn es gluckt, einwandfrei die diskontinuierliche Struktur cler Elektrizitat festzustellen, so bleibt uns noch das zweite Glied unserer Beweisfuhrung iibrig : der Nachweis, da13 diese Diskontinuitaten von derselben Realitat sind wie msere Gegenstande der AuBenwelt. An der Hand direkter Kennzeichen diirfte ein solcher Beweis noch schwieriger sein als bei den Atomen. Und unser Hilfssatz, den wir fur die Atome und Molekeln rnit Erfolg angewandt haben, versagt hier, weil wir keinen direkt wahrnehmbaren Gegenstand kennen, der nur aus Elektronen besteht. So miissen wir den Beweis fur die Existenz der Elektronen schuldig bleiben, obgleich sachlich an ihrer wirklichen Existenz nicht zu zweifeln ist. Z u s a in in e n f a s 8 u n g. 1. Durch eiiic geeignete Fragestellung wcrdcn die erkenntnistheoretischen Schwierigkeiten des Problems bcseitigt. 2. Altere und neuere Beweise fur die Existenz der Atome und Molekeln erweisen sich bei genaucrcr Untersuchung als nicht zwingend. 3. Ein exakter Beweis fiir die Existenz dcr Atonic und hlolekeln wird in clen Kanalstrahlen gefundcn.
doi:10.1002/ange.192003310403
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