Trypaflavin in der chirurgischen Praxis

1919 Deutsche Medizinische Wochenschrift  
Rat Dr. Münz el in Fechenheiin. Im September 1917 übersandte mir die Chemische Fabrik Leopold Cassella & Co. in Frankfurt a. M. das von ihr hergestellte Trypaflavin mit der Bitte, es in der Praxis zu prüfen. Da namhafte englische Aerzte sehr warm die Anwendung dieses zuerst in Deutschland erfundenen und hergestellten Präparates empfahlen, zögerte ich -als Arzt einer Chirurgischen Lazarettstationnicht, dem Vorschlage nachzukommen. Seit dieser Zeit gebrauche ich es ständig und habe niemals
more » ... elche Mißerfolge zu verzeichnen gehabt. Ueber die chemische Zusammensetzung des Trypaflavins liegen seitens des Darstellers desselben, Dr. Berida (Frankfurt am Main), ausführliche Veröffentlichungen vor, und es erübrigt sich deshalb, näher darauf einzugehen. Trypaflavin, Diaminomethylakridiniumchlorid, ist ein gelber Farbstoff, der die Gewebe intensiv gelb färbt. Es ist geruchlos und in Wasser leicht löslich. Die wäßrigen Lösungen können gekocht werden. Wegen ihrer Lichtempfindlichkeit sollen sie im Dunkeln bzw. in braunen -Flaschen aufbewahrt werden. Für die Praxis genügen die in den Handel gebrachten Formen vollständig: 1. Tabletten, Z. Pulver, 3. Puder, 4. Gaze. 1. Tabletten , in Röhrchen mit 20 Tabletten à 1,0 g, enthalten 0,1 Trypaflavin und 0,9 Kochsalz. Durch Auflösen einer Tablette in loo ccm Wasser eithält man eine annähernd physiologische Kochsalzlösung, die 1 O/ Trypaflavin enthält. Mit solchen Lösungen wurden größere Wundhöhlen und Flächen, Fistelgänge ausgespritzt und gespült. . Auch feuchte, mit dieser Lösung getränkte, durçh Oelpapier abgödichtete Verbände haben sich gut bewährt : die entzündeten Wundränder blaßten ab, die nekrotischen Gewebsfetzen lösten sich leicht, und frische Granulationen wurden bald sichtbar. Der stinkende Geruch dieser Wunden schwand schnell nach Anwendung des Trypaflavins.. Die oben angeführte Lösung habe ich auch in zwei Fällen von akuter weiblicher Gonorrhoe mit gutem Erfolge gebraucht, sodaß nach zweimal taglicher Scheidenausspülung nach drei bis vier Wochen keine Gonokokken mikroskopisch mehr nachweisbar waren. . u. 3. Pulver und Puder wandte ich an, um eine stärkere Trypaflavinwirkung zu erzielen. Irgendwelche Reizerscheinungen wurden nie wahrgenommen. Die Wundsekretion verringerte sich. Kräftige Granulationen bildeten sich, und die Ueberhäutung ging schnell vor sich. Eine gute austrocknende Wirkung besaß der Puder, welcher aus Trypaflavin, Magn. carb., Talkum und Bolus zusammengesetzt war. 4. Die mit Trypaflavin hergestellte Gaze saugte gut auf und war daher sowohl zum Bedecken von Wundflächen als auch zum Drainieren längerer Fistelgänge sehr geeignet. Das die Gaze berührende Wundgewebe war stets mit Teuchter Absonderung bedeckt, sodaß ein Verkleben der Gaze mit der Wunde nicht stattfand und daher eine Verbandabnahme für den Patienten fast séhmerzlos war. Das Trypaflavin kann also in der chirurgischen Praxis jedes bisher gebräuchliche Antiseptikum ersetzen. Jedenfalls -hat es die vorzügliche Eigenschaft, eiternde, mit schmierigen, nekrotischen Gewebsfetzen bedeckte Wundflächen, Höhlen und Fisteln schnell und sicher zu reinigen und die neue Granulationsbildung stark anzuregen. Die sich bildenden Fleischwärzchen sehen frisch aus und sind von fester Beschaffenheit, sodaß die Ueberhäutung von den Wundrändern leicht erfolgen kann. Die Wunde zeigt dann eine rasche Verkleinerung. Die Höhlen und Fisteln, mit Trypaflavingaze tamponiert, lassen in der Eiterung nach, ihre Wände legen sich aneinander und verkleben. Hervorzuheben ist ferner die völlige Geruchlosigkeit des Mittels, und daß es gar keine Reizwirkung auf die Haut des Patienten hervorruft. Letzterer Grund veranlaßt daher auch viele, statt Jodtinktur eine alkoholische Trypaflavinlösung zur Desinfektion des Operationsfeldes zu benutzen (N e usc h äf e r). Die mit Trypaflavinlösung arbeitenden Hände der Schwestern und Aerzte färben sich leicht gelb. Die Farbe blaßt jedoch schnell ab durch Waschen in heißem Seifenwasser. Die von der Fabrik angegebene schnellere Reinigung durch eine Lösung von Natrium-nitrit und späterer Abspülung mit verdünnter Salz-oder Schwefelsäure habe ich nie notwendig gefunden. Schwieriger gestaltet sich die Entfernung der gelben Wäscheflecken, dié durch Trypaflavinlösung oder durch den goldgelben Eiter entstanden sind. Sie verlieren sich erst nach mehrmaligem Waschen. Diesen geringen Nachteil wiegen aber die obenerwähnten bedeutenden Vorzüge des Trypaflavins so auf, daß die allgemeine Anwendung des Trypaflavins in der chirurgischen Praxis nur zu empfehlen ist. Dieses Dokument wurde zum persönlichen Gebrauch heruntergeladen. Vervielfältigung nur mit Zustimmung des Verlages.
doi:10.1055/s-0028-1137607 fatcat:xl7azrvcszgovbtmytyv76z2sq