Ingeborg Bachmanns Todesartenzyklus und das Thema Auschwitz

Irene Heidelberger-Leonard
1994 Germanica  
Streng genommen ist jedes Wort fragwürdig an der Formulierung dieser Fragestellung: Bachmanns Todesartenzyklus gibt es nicht, es gibt ihn nur als Projekt, und das «Thema» Auschwitz ist kein Thema, und sicherlich kein greifbares in Bachmanns Romanen: nirgends findet man bei ihr eine realistische, geschweige denn eine dokumentarische Beschreibung dieser Otschaft. In keinem ihrer literarischen Texte fällt -wenn ich mich nicht irre -selbst der Name dieses Ortes. Bachmann schreibt nicht über
more » ... z, sie schreibt durch Auschwitz hindurch, ja, ich würde sogar so weit gehen: in den Entwürfen Der Fall Franza, Requiem für Fanny Goldmann, in ihrem Roman Malina -schreibt sie Auschwitz, sie schreibt, um es noch deutlicher zu sagen, ihr Auschwitz. Die eigene Geschichte wird ihr zur Geschichte aller, «die doch die grosse Geschichte ausmachen» 1 . Dass eine derart persönliche Auseinandersetzung, ja eine solch private Vereinnahmung dieser weltgeschichtlichen Katastrophe ihrerseits wieder problematisch ist, zumal sie vonseiten der nachgeborenen Tätergeneration vorgenommen wird, lässt sich unschwer erahnen. Denn die Perspektive, die die Autorin dabei in ihren Werken einnimmt, ist primär die der Opfer, und ihre Figuren, deren Vernichtung sie minutiös nachzeichnet, denunzieren die Täterschaft der Mörder.
doi:10.4000/germanica.2225 fatcat:4rlocmnatvaxng47wkntl2oy3u