Selbstmanagement in der Kontrollgesellschaft: Weblogs und persönliche Homepages
Anton Tantner
2011
Einleitung Nach Gilles Deleuzes kurzer Skizze "Postskriptum über die Kontrollgesellschaften" ist an die Stelle, wo sich in der Disziplinargesellschaft einst die Fabrik befand, in der Kontrollgesellschaft das Unternehmen getreten. Marketing heißt jetzt das Instrument der sozialen Kontrolle, und auch das Subjekt wird davon erfasst, (Deleuze 1993) ein Umstand, den Ulrich Brieler in einem sehr pointierten und lesenswerten Beitrag zum "neoliberalen Charakter" folgendermaßen auf den Punkt brachte:
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... r vor nicht so langer Zeit die Behauptung: 'Der Kerl verkauft sich ja!' ein Vorwurf erster Güte, so fragt man heute: 'Warum medienimpulse, Jg. 49, Nr. 2, 2011 1 verkaufst Du Dich nicht richtig?' Der Wettlauf zur Warenförmigkeit ist das erklärte Programm des neoliberalen Charakters." (Brieler 2005) BefürworterInnen dieses Prozesses haben darauf hingewiesen, dass dem Selbstmarketing, der Selbstvermarktung auch ein emanzipatorischer Aspekt innewohnt, da professionelle Mittelsmänner (und wohl auchfrauen) ausgeschaltet werden; (Friebe/Lobo 2006: 41) kritisch dazu anzumerken ist allerdings, dass diese Mittelsmänner durch einen Wust an BeraterInnen ersetzt werden, seien dies Jobcoachs, KommunikationstrainerInnen oder TherapeutInnen. Die Anforderungen an das Subjekt sind dabei klar: Eine "Ich-AG" hat es zu bilden, sozial kompetent muss es sein, und andauernd ist es dabei, das "Ich" nach den letzten Anforderungen des Markts zu modellieren. Flexibilität lautet das Gebot der Stunde; keine durchgängige Erzählung kann mehr das Subjekt von der Wiege bis an die Bahre begleiten, es ist fragmentiert, Technologien des Selbst müssen erlernt, Zerrissenheit und Disparatheit eingeübt werden. "Beharrungsvermögen und Erfahrungswissen gelten als unnötiger Ballast, angesichts eines Präsentismus, der ohne Rekurs auf die Vergangenheit auszukommen glaubt", so drückte es Thomas Lemke aus. "Da es rational ist, sich nicht festzulegen, sollten langfristige Bindungen und Verpflichtungen möglichst vermieden werden. Die Aufgabe des Einzelnen besteht nicht mehr darin, eine stabile Identität auszubilden, sondern zu verhindern, dass diese zukünftige Optionen einengt oder gar verbaut." (Lemke 2004: 86)
doi:10.21243/mi-02-11-09
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