Durch Kurzinterventionen zur «harm reduction»

2015 Schweizerische Ärztezeitung  
Alkoholprobleme -in der hausärztlichen Sprechstunde gern gemieden Dieses V ermeidungsverhalten hat mehrere U rsa chen, eine hat damit zu tun, dass die bisherigen Er folgsraten ä usserst bescheiden sind, und welcher betreuende Arzt will seinem Patienten schon eine Suchtbehandlung oder gar einen Aufenthalt in einer «Entzugsanstalt» zumuten ... Dies mag etwas über trieben klingen, doch bisher hatten wir wenig the rapeutische Optionen, und für die gemäss Leitlinien anzuvisierende Abstinenz hat uns
more » ... n den meisten Fällen der Glaube gefehlt. Auch alle anderen Formen von «kontrolliertem Trinken» wie: «T rinken Sie ein bisschen weniger ..., erst am Abend das erste Glas ..., und nie mehr als drei Einheiten ..., beginnen Sie mit Mineralwasser ..., versuchen Sie es mit einem alko holfreien Bier ..., schieben Sie einen alkoholfreien Tag dazwischen ..., trinken Sie nie allein ..., nie zu Hause» usw. waren alles gutgemeinte aber selten mittel oder langfristig erfolgversprechende Empfehlungen. Ähn lich geht es uns mit der autoritären Art mittels Dro hungen: «Ihre GammaGT, Ihre Leberwerte sind erneut angestiegen, im Ultraschall finden sich Zeichen ...» Kommt dann noch hinzu, dass das Ansprechen heik ler Themen eine gewisse Schwellenüberschreitung verlangt, die Beziehung zu unserem Pa tienten oft strapaziert und, last but not least, geniessen wir sel ber auch gern einen guten Tropfen und wissen ge nau, dass wir bei uns von Tropfen, beim Patienten aber von Dezilitern sprechen -kurz: wollen wir wirk lich darauf eingehen, erfordert es viel Zeit und öffnet die Büchse d er P andora: sexuelle P robleme, Pro bleme bei der Arbeit, in der Ehe, häusliche Gewalt, finanzielle Konsequenzen -alles gute Gründe, das Thema doch besser nicht anzuschneiden, wer weiss, was wir da für eine Lawine lostreten. Vor zehn Jahren erschien der erste Leitfaden im Rah men des nationalen Alkoholpräventionsprogamms «Alles im Griff?». Damals konzentrierte sich die Kam pagne des Bundesamtes auf die Gruppe jugendlicher Risikotrinker. Mittels einer aufwendigen und sehr einprägsamen Wort und BildspielAktion mit Whis kygläsern (Sie erinnern sich?) entwickelte die beglei tende «Arbeitsgruppe Ä rzte» für Hausärzte Work shops, um das Erkennen des Risikotrinkens -das primär nicht als pathologisch oder übertrieben wahr genommen wurde -durch direktes Ansprechen und anhand klarer Vergleichszahlen im Sinne von «Wie viel ist zu viel?» zu erlernen. Zur Ergänzung und zum Selbststudium entstand die erste Ausgabe des Leit fadens, der eine bessere Selektions und Erkennungs technik vorstellte und dem behandelnden Arzt gleich zeitig auch eine Möglichkeit bot, wie er mit dem Patienten das G espräch eröffnen und schon erste Schritte der Behandlung mittels der Kurzinterventio nen einleiten konnte. Nicht eingeschlossen in diesem Behandlungskonzept waren jedoch chronisch alko hol abhängige Patienten, für die nur ein Entzug und die Abstinenzbehandlung als Option bestand. Aktualisierte und erweiterte Auflage des Leitfadens Was hat sich in den letzten zehn Jahren verändert und was hat die Autoren bewogen, gerade jetzt eine zweite, erweiterte Auflage herauszugeben? Drei wesentliche Punkte mögen dies hervorheben: Erstens: Heute, zehn Jahre später, ist harm reduction Die Herstellung des Leit fadens wurde mit Unter stützung (finanziell/ ideell) der FMH, des BAG, der Praxis Sucht medizin, Sucht Schweiz, Infodrog, Kollegium für Hausarztmedizin, der Schweizerischen Akade mie für Psychosomati sche und Psychosoziale Medizin und der Lund beck Pharma Schweiz ermöglicht. Für Patienten mit risikoreichem Alkoholkonsum sind Hausärztinnen und Hausärzte wichtige Ansprechpartner -wenn diese es denn tun und wenn sie auch wissen, wie es getan werden kann! Der erste Leitfaden, der die Ärztinnen und Ärzte bei dieser anspruchsvollen Aufgabe unterstützte, entstand im Rahmen des nationalen Alkoholpräventionsprogramms «Alles im Griff?» vor nunmehr zehn Jahren. Seither haben sich die therapeutischen Optionen deutlich verbessert, die Autor(inn)en des Leitfadens haben deshalb dankenswerterweise eine zweite, erweiterte Auflage des Leitfadens zur «Kurzinterventionen bei Patienten mit risikoreichem Alkoholkonsum» verfasst, die hier vorgestellt wird. Dr. med. Christine Romann, Mitglied des Zentralvorstandes der FMH, Departementsverantwortliche Gesundheitsförderung und Prävention FMH Prävention 475 SCHWEIZERISCHE ÄRZTEZEITUNG -BULLETIN DES MÉDECINS SUISSES -BOLLETTINO DEI MEDICI SVIZZERI 2015;96(13):475-476
doi:10.4414/saez.2015.03476 fatcat:y3sy5gjsbzaznawa4d7o66fvce