Grundbegriffe der Metaphysik von Leibniz im Vergleich zu Begriffsbildungen der heutigen Modallogik
Franz Kutschera
1979
Ma métaphysique est toute mathematique", schreibt Leibniz in einem Brief an FHospital vom 27.12.1694. Daher ist der Versuch, Grundbegriffe seiner Metaphysik mit Begriffsbildungen der heutigen Modallogik zu konfrontieren und, wo möglich, in sie zu übersetzen, den Intentionen seiner Philosophie sicher nicht unangemessen. Ich möchte mich im folgenden mit den Begriffen Substanz, mögliche Welt, Relation und Notwendigkeit befassen. 1 Zu den Begriffsbildungen der intensionalen Logik, die wir im Rahmen
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... dieser Arbeit nicht darstellen können, sondern voraussetzen müssen, vgl. z.B. Kutschera (76). 2 Vgl. Carnap (56). 3 Ist I die Menge möglicher Welten, U die Menge der möglichen Individuen (der universe of discourse) und sind w (das Wahre) und f (das Falsche) die beiden Wahrheitswerte, so ist ({w, f}^)' die Menge der möglichen Eigenschaften und {w, f}' die Menge der möglichen Propositionen. A sei dabei die Menge der Funktionen, die die Menge B in A abbilden. 7 Dem entspricht eine Inadäquatheit des modernen Individuenbegriffs: Wir können Objekte nur mithilfe von Eigenschaften unterscheiden. Das ist die Wurzel des Problems der trans-world-identity , der Identifizierung von Objekten, die in verschiedenen Welten verschiedene Eigenschaften haben (vgl. Kutschera (76), 2.3.) . Generell wird man also sagen müssen: Eigenschaften gibt es nicht ohne Objekte, und Objekte nicht ohne Eigenschaften. Eine Extensionalisierung der Eigenschaften ist also nicht adäquater als die Intensionalisierung der Objekte. Für den modernen Ansatz spricht allein, daß er mit der Annahme eines vorgegebenen Identitätsbegriffs für seine Individuen auskommt -jedenfalls bis zu dem Punkt, an dem sich Intensionen von Bedeutungen unterscheiden (vgl. dazu Kutschera (76) 2.3, 7.4) -, während Leibniz die problematischere Voraussetzung machen muß, wir wüßten schon, was maximal konsistente Eigenschaftsmengen sind. 38 Leibniz hat die möglichen Welten über eine Relation der Kompossibilität Cp (a, b) zwischen Substanzen bestimmt. Diese Relation soll eine Äquivalenzrelation sein, und die Welten sind dann Äquivalenzklassen bzgl. dieser Relation. Wenn man die möglichen Welten so definieren will, kann man Cp (a, b) jedoch nicht dadurch erklären, daß es möglich ist, daß gilt EaAEb (symbolisch M (Ea AEb)). Denn was möglich ist, hängt von der Menge der möglichen Welten ab, die also schon gegeben sein müßte. Ferner folgt aus M (EaAEb) A M (EbAEc) nicht M (EaAEc). Eine solche Relation wäre also nicht transitiv, dJi. keine Äquivalenzrelation. Man müßte also sagen: Cp (a, b) gilt gdw. a mit b koexistiert. Dann erhält man zwar eine Äquivalenzrelation, aber es bleibt offen, auf welche Paare von Substanzen die Relation der Koexistenz zutrifft. Diese Frage haben wir oben durch Rückgriff auf die Relation der perzeptionellen Verbundenheit zu lösen versucht.
doi:10.5283/epub.12601
fatcat:6h2sbxqmfbfg7andhtsm37igyi