Lebensreflexion als Ort der Gotteserfahrung : Ignatius von Loyola und Paulus von Tarsus im Vergleich [article]

Boris Repschinski, Universitaet Tuebingen
2022
Lebensreflexion als Ort der Gotteserfahrung Ignatius von Loyola und Paulus von Tarsus im Vergleich Boris Repschinski SJ, Innsbruck Ein wesentlicher Aspekt der geistlichen Unterscheidung bei Ignatius von Loyola ist der Rückblick auf die eigene Lebenserfahrung. In der Dynamik der geistlichen Übungen1 folgt sie -als die erste Woche der Exerzitiendirekt auf die Meditation über das Prinzip und Fundament. Im Fundament geht es zunächst um die Einsicht, dass der Mensch seinem Wesen nach auf Gott hin
more » ... gerichtet ist, der wiederum dem Menschen alle Gaben der Schöpfung zur Verfügung stellt, um diese Ausrichtung im je konkreten Le ben auch zu verwirklichen. Daraus folgt für Ignatius, dass alles Geschaf fene zunächst wertfrei ist und seine Bedeutung erst daraus bezieht, wie es im konkreten Leben für den Menschen hilfreich ist, seine Ausrichtung auf Gott hin zu verwirklichen. Die erste Woche nun stellt die grundsätzliche Frage an den individuellen Exerzitanten, wie sich dies im Fundament noch eher abstrakt beschriebene Verhältnis im konkreten Leben ausfaltet. Die Reflexion auf das eigene Leben aus der Perspektive des Fundamentes wird für den Betenden also zu einer Art Verhältnisbestimmung zu Gott. Diese Verhältnisbestimmung taucht bei Ignatius jedoch nicht nur in den geistlichen Übungen auf. Das Gebet des Examens, für Ignatius das wichtigste Gebet eines Jesuiten überhaupt,2 ist eine Art Kurzfassung dieser Spiritualität. Zweimal täglich lenkt dieses Gebet zunächst den Blick auf Gott als das eigentliche Ziel des Menschen, um dann in der Reflexion auf die Ereignisse und die durch sie ausgelösten inneren Bewegungen unter scheiden zu lernen, was dem Einzelnen in seiner Bestimmung auf Gott hin hilft oder hindert. Die kurze Autobiographie des Ignatius, der Bericht des Pilgers,3 ist ein solches Beispiel konkreter Lebensreflexion im Blick auf Gott. Viele, vielleicht interessante Details aus Ignatius' Lebensweg werden nicht er zählt; man hat eher den Eindruck, dass fast anekdotisch anmutende Erzäh lungen aneinandergereiht werden, aber viel autobiographisch interessantes Material entweder äußerst kurz oder gar nicht berichtet wird. So beschreibt
doi:10.15496/publikation-73269 fatcat:xegdvltymrh3vjy7vggi3r53x4