Individualisierung des Verkehrsverhaltens?

Joachim Scheiner, Technische Universität Dortmund
2022
In der Mobilitätsforschung gibt es eine wichtige, aber unbelegte These über einen historischen Verlauf. Diese behauptet, dass infolge von Individualisierung und Pluralisierung der Lebensstile die Determinationskraft struktureller Einflussgrößen, insbesondere Lebenslagen, für das Verkehrsverhalten im Zeitverlauf abnimmt. Auf der Grundlage von Längsschnittanalysen für den Zeitraum 1976 bis 2002 wird die Stichhaltigkeit dieser These anhand mehrerer Bausteine überprüft: die tages- und
more » ... e Verteilung von Wegen, die Verteilung von Aktivitätsmustern, und die Entwicklung der Güte von multivariaten Modellen des Verkehrsverhaltens sowie der Bestimmungsgrößen des Verkehrsverhaltens. Die Ergebnisse zeigen, dass die Determinationskraft der Modelle in der Tat rückläufig ist, auch wenn die Modelle nicht frei von methodischen Problemen der Vergleichbarkeit der vier Erhebungswellen sind. Insbesondere Lebenslagen und Pkw-Verfügbarkeit bestimmen das Verkehrsverhalten immer weniger, während die Relevanz räumlicher Rahmenbedingungen speziell für die Verkehrsmittelnutzung im Untersuchungszeitraum zugenommen hat. Auch die tageszeitliche Verteilung von Wegen hat sich spürbar nivelliert, was ebenfalls für Individualisierungstendenzen spricht. Die Entwicklung der wochenzeitlichen Verteilung von Wegen sowie der Verteilung von Aktivitätsmustern sind zu stark von methodischen Effekten überlagert, um inhaltlich interpretierbar zu sein.
doi:10.17877/de290r-22559 fatcat:rsd6bpenvff2fmymkyu7i4yt5a