Türkentaufen
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M. Friedrich
2012
Orientbegegnungen deutscher Protestanten in der Frühen Neuzeit
Zur theologischen Problematik und geistlichen Deutung der Konversion von Muslimen im Alten Reich 1573 wurde Jakob Eisenberg, Prediger am Hof des Magdeburger Administrators in dessen Residenzstadt Halle an der Saale, vor eine ungewohnte Aufgabe gestellt: er sollte dem »Türken« Salomon Bugalli das Taufsakrament spenden. Protestantische Pfarrer wie Eisenberg waren auf derartige Situationen meist nicht eigens vorbereitet worden. Zwar folgte auch die Durchführung einer Taufe bei (erwachsenen)
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... n grundsätzlich der Praxis und Theologie des protestantischen Taufritus. Dennoch standen die Prediger, die damit betraut waren, erheblichen Herausforderungen bei der religiösen Anleitung des Konvertiten und bei der Organisation und Durchführung des Taufaktes gegenüber. Eisenberg gab dies offen zu, als er notierte, es seien ihm »solche sachen die zeit uber / weil ich im heiligen predigampt allhie gedienet / nicht furkomen«. 1 So verwundert es nicht, dass er sich beim Konsistorium der Stadt Leipzig Rat für die bevorstehende Türkentaufe holte. 2 Auch andernorts waren Geistliche immer wieder überfordert, wenn man sie mit solchen Situationen konfrontierte. 1664 griff auch Hermann Müller erst einmal auf kompetenten Rat zurück, ehe er im mecklenburgischen Grabow dann zur Taufe des Türken Memmeth schritt. 3 Angesichts der relativen Seltenheit solcher Ereignisse im Leben protestantischer Pfarrer ist es dann auch nicht verwunderlich, dass man sich immer wieder an älteren Präzedenzfällen und deren literarischen Beschreibungen orientierte, 1 Jacob Eisenberg, Kurtze einfeltige fragen vnd antwort / die einem gebornen Tuercken / ehe er getaufft worden / mit dem kleinen Catechismo deß [...] Herren D. Martini Luthers seligen / zu lernen sind vorgeschrieben worden, Leipzig 1574, unpag. (Frage ans Konsistorium, am Ende). 2 Konkret wollte der Hofprediger erstens wissen, ob die Paten beim Taufakt anwesend sein sollten, zweitens, ob der Täufling selbst seinen neuen christlichen Namen auswählen dürfe, und drittens, ob der Türke »in beysein jungfrawen und frawen« gänzlich nackt oder nur mit entblößtem Oberkörper getauft werden sollte; vgl. Eisenberg (wie Anm. 1). 3 Er wandte sich v. a. an den Orientspezialisten Adam Olearius in Gottorf; vgl. Hermann Müller, Turca de longe ad-vocatus, eine christliche Predigt, als ein gebohrner Türck, seines Alters ohngefähr dreißig Jahr, durch die H. Tauffe dem Herrn Christo in der Grabowischen Schloß-Kapellen, in vieler hohen und niedrigen Standes Manns-und Weibes-Persohnen Gegenwart zugeführet [...],
doi:10.5771/9783465141563-47
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