Bernhard Erdmannsdörffer
Dietrich Schäfer
1901
Historische Zeitschrift
Hochgeehrte Trauerversammlung! E s ist das zweite M al in Jahresfrist, daß der Tod in un vermittelter Plötzlichkeit eine schmerzliche Lücke in unseren akade mischen Lehrkörper reißt. Unsere Hochschule übt den schönen Brauch, daß dem nächststehenden Fachgenossen die Pflicht er wächst, den Dahingeschiedenen wissenschaftlich zu würdigen. E r ruft heule mich an diese Stelle. E s ist ein schöner, aber auch ein schwerer Brauch. Wenn das Verhältnis das richtige war -und es war in diesem Falle das
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... ige -, so ist der dem Fache nach Nächststehende dem Kollegen auch im Herzen verbunden. Indem mühsam der Schmerz bemeistert wird, soll eindringende Erwägung in der kurzen Spanne weniger Stunden In h a lt und Wert eines Lebens abschätzen und die zahlreichen Quellen aufdecken, aus deren Vereinigung der geschlossene S trom einer festgefügten, sicher dahinschreitenden P er sönlichkeit erwuchs. N ur unter selten günstigen Bedingungen kann eine solche Aufgabe allseits befriedigend gelöst werden. I n den meisten Fällen darf der Redende nur die Anerkennung erhoffen, deren schon der gute Wille wert ist. ') I n Heidelberg starb am Nachmittage des 1. M ärz Bernhard E rdmannsdörffer am Herzschlage. Dem dort geübten Brauche entsprechend, hielt ihm vor der Beerdigung am 4. M ärz sein Fachgenosse Dietrich Schäfer in der Aula der Universität eine Gedenkrede. Auf unseren Wunsch über ließ u n s Herr Schäfer die Rede zum Abdruck. D. Red. Brought to you by | INSEAD Authenticated Download Date | 10/6/18 4:07 AM Die Geschichtsprofessur unserer zu Anfang des Jahrhunderts neu erstandenen Universität war durch zwei volle Menschenalter von Hellem Glanze umstrahlt. Friedrich Christoph Schlosser stand abgewendet dem Leben, das um ihn wogte und gärte und nach neuen Gestaltungen rang, und doch vermochte der unbeugsame Wille dieses starken Geistes durch Schrift und Lehre führend einzugreifen in den Kampf der Meinungen und vom schönen Reckarthale her dem deutschen bürgerlichen Liberalismus das historische Rüstzeug in die Hand zu geben. Ludwig Häusser bezauberte durch die Frische, mit der er sich nicht nur seiner Wissenschaft, sondern auch den Tagesfragen zuwandte, und sein reicher Geist, seine lebenskräftige Persönlichkeit, seine glänzende Sehrgabe konnten in unübertroffener Weise durch historische Arbeit mitwirken an der Klärung und Vertiefung des politischen Urteils seiner Zeitgenossen. Für Heinrich v. Treitschke, den begeisterten und begeisternden Propheten unserer erstehenden Einheit, ward der Heidelberger Lehrstuhl der Höhepunkt seines Schaffens und seiner Erfolge, wo das lodernde Feuer seiner Überzeugungen, der glänzende Reichtum einer fast unerschöpflichen Bildung und die überwältigende Kraft naturwüchsiger Rednergabe auch den Wider strebenden in den Kreis seiner vaterländischen Anschauungen zwang. I n dem halben Jahrhundert, das die Frage der inneren und äußeren Neugestaltung Deutschlands zu lösen hatte, und das, nach guter alter deutscher Art, in den Kampf um diese Frage «intrat mit dem akademisch gebildeten Teil der Bevölkerung im Vordertreffen, hat in dem reichen Kranze unserer Hochschulen keine historische Lehrkanzel durch wissenschaftliche Thätigkeit so bedeutungsvoll in den Gang unserer allgemeinen Entwicklung «ingegriffen wie die der Ruperto-Carola durch diese drei Männer. An ihre Stelle trat Bernhard Erdmannsdörffer. An dem Maße der Vorgänger gemessen -und der Außen stehende wird ja kaum umhin können, diesen Maßstab zunächst anzulegen -wird der teuere Enschlafene schwer dem Urteil ent gehen, daß mit seinem Eintritt sich eine bedeutungsvolle Wendung in der Stellung des hiesigen geschichtlichen Lehramts vollzogen habe. Und doch wird auch die strengste historische Gerechtigkeit freudig anerkennen, daß Bernhard Erdmannsdörffer auch neben «inem Schlosser, einem Häusser und einem Treitschke berechtigte und wertvolle Eigenart in erfreulicher Selbständigkeit behauptete Brought to you by | INSEAD Authenticated Download Date | 10/6/18 4:07 AM
doi:10.1524/hzhz.1901.87.jg.56
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