Brief aus Bayern

1919 Deutsche Medizinische Wochenschrift  
DEtJTSOHE MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT Nr th Brief aus Bayern. Wenn jemand einige Abende eine unterhaltende, geschichtlich lehrreiche und anregende Lektüre haben will, wenn jemand sich etwas trösten will über Unangenehmes, das ihm widerfahren ist, wenn jemand Dinge erfahren will, die er in der Neuzeit für unmöglich halten würde und die leider Gottes geschehen sind , trotzdem von eingeweihter, sachverständiger Seite immer wieder laut in der Presse und im Landtag des ehemaligen Königreichs Bayern
more » ... rauf hingewiesen wurde, der lese das nun erschienene, 1916 gedruckte Buch von Prof. Konrad Rieger, Psychiater in Würzburg (verlegt bei Kurt Kabitzsch, Leipzig). Die selige Kriegszensur des A. O. K. II hat für dieses Buch, das weder etwas Militärisches noch etwas Politisches enthält, eine starke, unfreiwillige, abér unverständliche Reklame gemacht, indem sie das Erscheinen desselben 1916 verbot Man denke, der fünfte Jahresbericht der Psychiatrischen Universitätsklinik Würzburg, deren Vorstand ein politisch vollkommen einwandfreier Mann war und ist, wird von der Zensur verboten. Begründung: "Das Buch wäre geeignet, weite Kreise in Erregung zu versetzen und eine Bewegung hervorzurufen, die leicht zu Pressekämpfen führen und damit immer weitere Bevölkerungsschichten in Mitleidenschaft ziehen könnte." Der Verfasser schreibt darüber heute: "Mir war es ja ganz recht so. Denn während des Krieges hätte doch niemand das dicke Büch gelesen. Jetzt aber hoffe ich, daß die Zensur recht behält und daß das Buch weite Kreise in Erregung versetzen und immer weitere Bevölkerungsschichten in Mitleidenschaft ziehen wird".
doi:10.1055/s-0028-1137689 fatcat:76zqhgyhjjh45biey3zrjpax74